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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Mal, Frau Brenningen in der Rezeption. Aber sonst? Doch, wenn eine Frau schön war. Und wenn er sie auf keine Weise ansprechend fand? Dann lehnte er sie ab. Nachdem er… Er brach seine Überlegungen ab.
    »Dauert es noch lange, bis das Bild fertig ist?« Er nickte zur Leinwand und zu Andreas’ Gesicht hinüber, dem noch Nase und Mund fehlten. Nur die Augen waren als zwei grüne Schatten unter einer Locke angedeutet.
    »Vermutlich ja. Aber am Kopf werde ich nichts mehr ändern. Ich habe versprochen, daß niemand ihn erkennen wird, und dieses Versprechen muß ich doch halten. Wo steckt er?« fragte sie unvermittelt.
    »Das wissen wir nicht. Wir haben nur Zipp, und der ist nicht gerade mitteilsam. Was machen Sie jetzt?« fragte er. »Ihr Modell ist verschwunden, und Sie können an Ihrem Bild nicht weiterarbeiten.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Er wird schon wieder auftauchen. Und wenn nicht, dann bleibt er eben eine Skizze. Könnten Sie sich vorstellen, mir Modell zu stehen?«
    Sejer hätte sich vor Überraschung beinahe verschluckt. »Ich dachte, ich hätte schon gesagt, wie ich das sehe.«
    »Es lohnt sich aber, Schranken einzureißen«, sagte sie. »Sich auszuziehen und sich studieren zu lassen, sich durch die Augen eines anderen Menschen zu sehen – das kann sehr befreiend sein.«
    Vor dieser Frau stehen, dachte er, ganz nackt. Ihre Augen überall, analysierende Augen, die ihn in sich aufnahmen, bis er nur noch ein Eindruck war. Nicht mehr er selbst. Sondern nur der Eindruck, den er auf sie machte. Der für sie einzigartig war. Was würde sie sehen? Einen fünfzig Jahre alten sehnigen Körper in guter Verfassung. Mit Andeutungen von Ekzemen an einzelnen Partien. Und einer Grenze in Taillenhöhe, unterhalb derer seine Haut heller war. Eine Narbe am rechten Oberschenkel, die weiß und blank schimmerte. Stunde für Stunde, bis er auf die Leinwand gebannt war, vielleicht für eine kleine Ewigkeit. Und dann würde jemand das Bild besitzen, es aufhängen. Es betrachten. Aber wieso ist das so viel beängstigender, als fotografiert zu werden, fragte er sich. Weil die Linse tot ist und kein Urteil fällen kann. Fürchtete er sich vor der Verurteilung? Würde er etwas überwinden, wenn er sich bereit erklärte? Und wozu würde das führen? Er merkte, daß seine Neugier sich auf alle anderen richtete, aber nicht auf ihn selbst.
    Seine Miene war höflich und korrekt, als er sich für ihre Hilfe bedankte.

 
    A ndreas öffnete die Augen. Und seine Miene, als er endlich begriff, wie soll ich die erklären? Ein kleines Licht, das plötzlich erlischt.
    »Du bist nicht gegangen«, sagte er erschöpft.
    »Doch!«
    Ich rang die Hände und schämte mich. Weil ich ihn im Stich gelassen hatte. Aber ich war auch wütend, auf all die vorurteilsbeladenen Menschen, die uns nicht wirklich sehen. Die nur einen kurzen Blick auf uns werfen und jede Menge Schlüsse ziehen.
    »Ich war da. Aber er hat nichts begriffen. Ein junger Bursche, der arbeitet da wohl noch nicht sehr lange. Ich habe versucht zu erklären, aber er wollte nur wissen, ob ich ein Taxi brauchte, um nach Hause zu kommen. Als wäre ich eine verwirrte alte Oma. Und weißt du was? Ich hatte ihn schon einmal gesehen, aber ich konnte mich nicht erinnern, wo. Das ist doch seltsam!«
    Andreas stieß ein jammervolles Stöhnen aus. Er hatte wohl eine Hoffnung gehabt, eine allerletzte, und die hatte sich nun zerschlagen.
    »Verdammt, du warst da, und dann bist du einfach wieder gegangen?« Er fing an zu husten, als sei sein Hals mit Schleim gefüllt. Er brachte ihn nicht heraus. Seine Lunge zischte. »Geh weg!«
    »Ich gehe, wenn ich es will. Ich habe einen Versuch gemacht.«
    »Hast du nicht. Mein Gott, was bist du jämmerlich!«
    »Wer hier jämmerlich ist, das bist du. Sieh dich doch mal an. Reiz mich ja nicht, viel kann ich nicht vertragen!«
    »Arme Irma. Die Welt war ungerecht zu dir. Niemand begreift, wie du leiden mußt, stimmt’s?«
    Er weinte und lachte zugleich. Schön war das nicht.
    »Sei still, Andreas.«
    »Ich rede, soviel ich will. Das ist das einzige, was ich kann.«
    »Mehr Wasser kriegst du nicht.«
    »Tut dir das gut, Irma? Mich zu quälen? Wo spürst du das? Irgendwo zwischen deinen Beinen?«
    »Nimm dich in acht!« fauchte ich. »Wenn du wüßtest, wozu ich fähig bin!«
    »Das weiß ich doch. Und es ist mir egal.«
    »Du hast keine Ahnung, wovon ich rede.«
    »Geh schlafen. Ich will meine Ruhe haben.«
    »Du willst deine Ruhe haben? Das hättest du dir

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