Dunkler Schnee (German Edition)
dass mein Verlobter der nette Kerl ist, den ich liebe, sage Volker Good Bye und beachte diese lächerliche Drohung überhaupt nicht!“ Sie nahm den Brief aus ihrer Handtasche und riss ihn entzwei. „Und sollte dieser Jemand Beweise haben, also Fotos von Volker und mir, dann werde ich eben dazu stehen müssen.“
Yvonne blickte sie zweifelnd an. „Das klingt allzu einfach, meinst du nicht?“
Marisa zuckte mit den Schultern. „Ich muss jetzt los. Begleitest du mich noch bis zum Auto? Ich verlaufe mich sonst.“
„Klar. Wir wollen ja nicht, dass es heißt: Kölnerin im Altstadtdschungel von Aachen verschwunden!“
Spaßeshalber knuffte Marisa Yvonne in die Seite.
Zwanzig Minuten später bogen die beiden Frauen schwatzend in eine Gasse unweit des Domes ein. Von dort ging es in eine noch schmalere Gasse, die endlich auf den Restaurantparkplatz hinausführte, der menschenleer war. Ein paar Autos standen wie zufällig hingewürfelt auf dem Platz. Bevor sie Marisas Wagen erreichten, hielt Yvonne die Freundin am Ärmel fest. „Wenn sich rausstellt, dass der Brief ernst gemeint ist, ruf bitte die Polizei an! Versprichst du mir das?“
„Keine Sorge, das werde ich. Aber das wird bestimmt nicht nötig sein.“ Marisa umarmte die Freundin. „Danke für deine Zeit. Das war ein toller Tag zum Luftholen und – na ja, du weißt schon.“ Sie grinste und fügte an: „Wir sehen uns dann bei der Trauung. Ohne dich kann ich nicht heiraten, Frau Trauzeugin!“ Marisa kicherte.
„Ich ruf dich morgen an, okay?“, sagte Yvonne zum Abschluss, doch Marisa reagierte nicht darauf, sondern blickte plötzlich mit starrem, irritiertem Blick an ihr vorbei. „Oh, nein!“, rief sie aus, ließ die Freundin los und lief die letzten Schritte zum Auto. Sie bückte sich, um durch das Fenster der Fahrerseite zu sehen. Dann lief sie einmal um das Auto herum. „Oh, nein!“, rief sie noch einmal und schlug die akut zitternden Hände über dem Kopf zusammen.
„Was ist?“, fragte Yvonne alarmiert und folgte ihr.
Ein Ziegelstein hatte das Beifahrerfenster durchschlagen und lag auf dem Sitz. Mit fliegenden Händen öffnete Marisa die Tür und nahm vorsichtig den Stein aus den Glasscherben. Es war ein Zettel um ihn gewickelt. „Kein Scherz!“, stand darauf.
„Du musst die Polizei anrufen!“, beschwor Yvonne die Freundin. Die saß auf Yvonnes Couch und drehte ein Whiskeyglas zwischen ihren Handflächen hin und her. Sie setzte gerade zu einer Antwort an, als ihr Handy läutete. Ohne auf das Display zu gucken, ging sie ran. „Ja? – Laurens! Gut, dass du anrufst! Ich komme heute nicht nach Hause … wie? Lass mich doch erst … Bitte lass mich doch mal ausreden!“ Ihr Gesicht nahm den Ton einer blassen Tomate an. „Lass dir doch erklären …“, setzte sie wieder an, hielt zwischendurch das Telefon etwas vom Ohr weg. „Verdammt, Laurens, mein Auto ist eingeschlagen worden! … Ja, natürlich muss ich das erst machen lassen! Herrje, stell dich nicht an! … Wie? … Du glaubst was?“ Mit großen Augen blickte sie Yvonne an, die in ihrem kleinen Wohnzimmer auf und ab ging wie ein Professor auf Gedankensuche. Marisa drückte auf die Aus-Taste ihres Telefons und warf es auf die Couch.
„Er glaubt mir nicht! Er denkt, ich treffe mich hier mit einem Mann!“, sagte sie vorwurfsvoll Richtung Yvonne.
Die konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. „Das ist ja fast tragikomisch.“
Nach einer halben Stunde waren die beiden Frauen zurück am Auto. Mit Handfeger und Besen sowie Klebeband und Pappe bemühten sie sich um Schadensbegrenzung. Es war mittlerweile dunkel. Immer wieder schauten sie sich um.
„Du stehst unter Beobachtung, das ist dir ja wohl klar“, wisperte Yvonne.
„Ach, sag bloß! Natürlich ist mir das klar. Dummerweise du aber auch!“
Yvonne schluckte, blickte sich wieder um. „Ja, aus reiner Freundschaft, ich hoffe, du weißt das zu würdigen!“
„Ich werde dir ewig dankbar sein, ohne Frage. Aber jetzt sollten wir sehen, dass wir von hier verschwinden.“
Sie fuhren mit dem lädierten Auto zu Yvonnes Adresse, wo sie ein paar Mal am Haus vorbeifuhren, bis ein Parkplatz frei wurde, in den sie den Kleinwagen setzen konnten.
„Hier können wir wenigstens ab und zu einen Blick drauf werfen, ob er noch da ist“, sagte Marisa und verriegelte die Türen. „Soll ich überhaupt abschließen?“ Sie kicherte nervös.
„Aber sicher. Sonst heißt es nachher noch, du hättest zu einer Straftat aufgefordert,
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