Dunkler Schnee (German Edition)
Allgemeines Gelächter hieß den Neuankömmling willkommen. Marisa verstand trotz des spontan einsetzenden Rauschens in ihren Ohren, er wolle sich im Hundeclub anmelden, er sei seit zwei Wochen Hundebesitzer, habe aber eigentlich keine Ahnung von Hundehaltung; er sei sozusagen wie die Jungfrau zum Kinde auf den Hund gekommen. Martin, der den Neuankömmling neugierig musterte, rief Volker gleich zu: „Neue Teilnehmer sind uns herzlich willkommen!“
Erika schob Volker mitten in das wieder lebhaft einsetzende Gespräch, zupfte kokettierend an ihrer blond gefärbten, fransig geschwitzten Fönwelle und stellte Marisa mit den Worten vor: „Das ist Marisa, sie ist auch noch nicht lange bei uns – Gleich und Gleich gesellt sich gern, was?“ Dann kicherte sie, entschwand hinter den Tresen und zauberte eine Tasse hervor, die sie Volker reichte. Wo sein Hund sei, ah, zu Hause, also stubenrein, das sei ja schon mal ein guter Anfang.
Sie drückte ihm zwischendurch Anmeldepapiere und Informationen über den Verein in die Hand und überließ Marisa und Volker der Verblüffung, Befremdung, Furcht und Neugier.
„Was tust du hier?“, zischte Marisa nicht gerade freundlich und ärgerte sich maßlos, dass ihr Interesse an Martin schlagartig verschwand. „Ich möchte mit dir reden, dir einiges erklären, dich um Verzeihung bitten“, sagte Volker so leise, dass nur Marisa es verstehen konnte. Abrupt drehte sie sich weg. „Lass mich in Ruhe, das ist das Beste, was du tun kannst.“ Sie mischte sich wieder unter die anderen und versuchte sich auf die Gespräche zu konzentrieren. Doch sie ließ Volker nicht aus den Augen, sah und hörte, mit wem und über was er sich unterhielt. Ihr Kaffee wurde kalt trotz der Hitze in der Luft und ihrem Körper.
Volker stand auf dem Parkplatz. Marisa unterbrach ihren Gang zum Auto und überlegte, zurück ins Vereinshaus zu gehen. Bruno lief währenddessen zu Volker und beschnupperte ihn, wobei die Rute des Hundes hin- und herwedelte.
„Bruno! Hierher!“, befahl Marisa und schritt entschlossen auf ihren Wagen zu. Sie entriegelte die Türen und öffnete den Wagen, um Bruno auf dem Rücksitz Platz nehmen zu lassen. Schwüle Luft schlug ihr entgegen, als sie die Hundedecke glättete. Schnell öffnete sie auch die andere Seite, um zu lüften, und hielt den Hund so lange am Halsband.
„Ein schönes Tier“, sagte Volker, der langsam näherkam.
„Was willst du?“
„Er hat uns beide reingelegt.“
„Lass mich zufrieden!“
„Marisa! Ich muss dir unbedingt einiges erklären! Es zerreißt mich …“
„Und mich zerreißt, dass mein Vater fast gestorben wäre!“, fiel sie ihm barsch ins Wort. „Außerdem zerreißt es mich, dass ich immer noch hin und wieder Lust auf Alkohol bekomme, es mir aber – weiß Gott! – nur schaden würde! Du hast ja keine Ahnung, wie es mir gegangen ist mit eurer Scheiß-Erpressung!“
Bruno nutzte die Gelegenheit des sich lockernden Griffes und stromerte schnüffelnd über den Parkplatz. Marisa richtete sich auf und sah Volker scharf an. „Ich sag es jetzt nochmal: Lass mich in Ruhe! Spionier mir nicht nach! Verschwinde aus meinem Leben!“
Volker, der im Abstand von zwei Metern stehengeblieben war, rieb sich über sein Kinn. Er wirkte kleiner und schmaler als sonst.
„Er hatte mich in der Hand. Ich möchte, dass du das weißt. Er hatte meine Schwester und ihren Freund fast totgeschlagen vor einigen Jahren, und er hat gedroht, sie endgültig zu erledigen, wie er sich ausgedrückt hat. Ich glaubte ihm jedes Wort. Ich kenne ihn seit vielen Jahren und weiß, wozu er fähig ist. Es tut mir sehr leid, Marisa. Ich hätte dir die Dinge erklären können, aber die Gefahr, dass er seine Drohung wahrmacht, war wirklich groß. Er hat seine Finger in vielen krummen Geschäften. Und er hat seine Handlanger. Hier und in Baden-Württemberg und weiß Gott, wo sonst noch!
Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst. Mir lag und liegt viel an dir. Ich …“, er zögerte. Dann sagte er nur noch: „Danke, dass du mir zugehört hast.“ Volker drehte sich um und ging zu seinem Wagen.
Marisa merkte ihren Herzschlag bis in die Kehle. Sie spürte, dass Volker nicht log; auch er war gleichzeitig Opfer und Täter – was für eine skurrile Geschichte!
„Volker! Warte!“ Sie rief Bruno heran, der sich weit entfernt hatte, und sorgte so für ein paar Sekunden Bedenkzeit. Volker schien sich am Türgriff seines Autos festzuhalten.
„Vielleicht sollten wir doch noch mal in
Weitere Kostenlose Bücher