Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
eine Gier überkam, die ich nicht bezähmen konnte, so als träfe mich der Hitzeschwall eines glühenden Eisenstücks, wie ich mich mit aller Macht nach ihrem weichen, wunderschönen und gütigen Leib sehnte, der lange vor dem Höhepunkt Lust und Labsal spendete.
»Ich bin für dich da«, flüsterte sie, hatte die Lippen an meine Wange gelegt und gab sich mit einer Leidenschaft hin, die so echt und aufrichtig war, daß ich, wie alle Männer, insgeheim wußte, ich hatte sie nicht verdient.
18
Am nächsten Morgen stand ich in aller Frühe auf, drückte eine Eiskompresse an die Schwellung an meinem Kopf und fuhr zu einem Arzt, um mich wegen meines Kreuzes behandeln zu lassen. Er zeigte mir etliche Übungen, bei denen ich mich unter anderem auf den Boden legen und die Knie an die Brust führen oder mich auf einen Stuhl setzen, vornüberbücken und dabei den Bauch einziehen mußte. Ich staunte nicht schlecht, als ich feststellte, wie leicht sich der quälende Schmerz lindern ließ, zeitweise zumindest.
»Sobald der Schmerz wiederkehrt, machen Sie diese Übungen. Das wird schon wieder. Vermeiden Sie in nächster Zeit allzu heftige Bewegungen, vor allem aus dem Rücken heraus«, sagte der Arzt. Er holte einen Kugelschreiber aus der Brusttasche seines Hemds. »Soll ich Ihnen etwas verschreiben?«
»Nein, danke.«
»Es ist was Leichtes.«
»Ist es doch immer.«
»Sie sind eben nach wie vor ein eingefleischter Baptist, Billy Bob.«
Hinterher ging ich zum Fitneßstudio, setzte mich ins Dampfbad, duschte dann und suchte Marvin Pomroy in seinem Büro im Gerichtsgebäude auf.
»Wir haben die drei Typen zur Fahndung ausgeschrieben, aber allzu viele Anhaltspunkte hatten wir nicht«, sagte er.
»Hat man Moon schon wegen des Mordes am Sheriff vernommen?« fragte ich.
»Meiner Ansicht nach steht er nicht unter dringendem Tatverdacht.«
»Moon hat im alten Bezirksgefängnis gesessen, als der Sheriff Straßenbautrupps beaufsichtigt hat«, sagte ich. Marvin hatte seinen Drehstuhl zurückgekippt. Offensichtlich sah er keinerlei Zusammenhang. »Moon hat gesagt, zwei Wachmänner hätten ihn geschändet. Er hat gesagt, sie hätten ihn jeden Sonntagmorgen über ein Ölfaß gelegt.«
»Wollen Sie damit etwa sagen, daß der Sheriff pervers war?«
»Meines Wissens hat er nichts ausgelassen.«
»Wenn er dem ganzen Bezirk eines auswischen will, warum wartet er dann vierzig Jahre, bis er zurückommt und seine Show abzieht? Ich glaube, der Sheriff wurde aus anderen Gründen umgebracht«, sagte Marvin.
»Ein Axthieb mitten ins Gesicht könnte aber durchaus auf einen Racheakt hinweisen.«
Aber ich merkte, daß er an etwas anderes dachte. Er nahm seine Brille ab und putzte mit einem Kleenex die Gläser. Er setzte sie mit ausdrucksloser Miene wieder auf, so als überlege er, ob er die Gefühle preisgeben solle, die er normalerweise für sich behielt. Seine Haare waren so tadellos gekämmt, daß sie wie Metallstreifen auf seinem Kopf lagen.
»Ich konnte letzte Nacht nicht schlafen«, sagte er. »Was diese Jungs mit Ihnen machen wollten ... Ich würde sie mir am liebsten persönlich vornehmen.«
»Das ist nicht Ihre Art, Marvin.«
»Ich faß es nicht. Ich bin in einem Bezirk tätig, der vermutlich von der Dixie-Mafia beherrscht wird. Ich kann es bloß nicht beweisen.«
Ich ging über die Straße zu meiner Kanzlei und nahm die Post aus dem Eingangskorb im Foyer mit. Hier im Erdgeschoß mit seinen glatt verputzten Wänden und dem gefliesten Boden, auf dem irdene Blumentöpfe mit Hibiskuspflanzen standen, war es angenehm kühl. Zwischen den diversen Briefen und Rundschreiben befand sich ein brauner Umschlag ohne Poststempel, auf den mit Bleistift meine Adresse geschrieben war.
Aus irgendeinem Grund – vielleicht wegen des schmierigen Papiers, der ungelenken Buchstaben oder wegen der Fettflecken entlang der Klebelasche – ekelte ich mich beinahe davor. Ich nahm ihn ungeöffnet mit in mein Büro, hoffte, daß es sich bloß um einen der üblichen Briefe von einem Spinner handeln möge, einem unzufriedenen Mandanten oder einem Sträfling, der meinte, daß er für die Filmrechte an seiner Lebensgeschichte Millionen Dollar kassieren könnte. Dann riß ich ihn mit einem Finger entlang der Oberkante auf, so wie man einen alten Verband abzupft.
Ein Polaroidbild von Pete, aufgenommen auf dem Spielplatz der katholischen Grundschule, steckte drin. Auf dem mit Bleistift beschrifteten, aus einem billigen Notizblock gerissenen Blatt stand: »Das
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