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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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beleidigen?«
    Felix Ringo und der Mann, der sich Sammy Mace nannte, standen am anderen Ende des Bootsstegs und sahen zu, wie ein gelbes Wasserflugzeug tief über die Hügel einschwebte und auf dem See niederging.
    »Sammy Mace hat beste Beziehungen zum Mob, Jack«, sagte ich.
    »Und warum sitzt er dann nicht in Huntsville? Schaun Sie, mir ist bei alldem, was Darl angestellt hat, auch nicht ganz wohl zumute. Deshalb wollte ich ein bißchen was wiedergutmachen.«
    »Aha?«
    »Felix Ringo ist ein alter Freund, den ich aus Fort Benning kenne. Er hat jede Menge Kontakte zu unseren lateinamerikanischen Mitbürgern. Er hat jemanden gefunden, der Lucas entlasten könnte.«
    Ich antwortete nicht, schaute ihm nur in die Augen.
    »Los, essen Sie was mit uns. Lassen wir doch diesen Blödsinn«, sagte er.
    »Wen hat er gefunden?« fragte ich.
    »Einen Biker. Er gehört einer Gang an, die sich die Purple Hearts nennen. Er ist ein-, zweimal mit Bunny Vogel aneinandergeraten.«
    Dann kamen Felix Ringo und Sammy Mace zu der Bude, nickten mir beide lächelnd zu, während der Schwarze die Steaks auf Metalltellern anrichtete. Emma Vanzandt, die eine Sonnenbrille aufhatte, trat aus der Kajüte des Bootes und schüttelte ihre Haare aus.
    Sammy Mace war jetzt über fünfzig. Er hatte die silbergrauen Haare glatt zurückgekämmt und trug eine viereckige randlose Brille, wirkte geradezu vornehm, fast wie ein Intellektueller. Bis auf den Blick, der ganz und gar nicht zu dem Lächeln paßte. Er musterte mich und kniff kurz die Augen zusammen, als er mich wiedererkannte.
    »Sie waren doch Streifenpolizist in Houston? Später, als Texas Ranger, hatten Sie dann irgendwelchen Ärger.«
    »Gutes Gedächtnis, Sammy«, sagte ich.
    »Erinnern Sie sich noch an mich?«
    »Na klar. Sie haben in Houston einen Polizisten umgebracht.«
    »Hey«, sagte er wie im Spaß und hob die Hände, als wolle er einen Schwarm Bienen abwehren. »Ich habe auf jemand geschossen, der mitten in der Nacht durch mein Schlafzimmerfenster eingedrungen ist, ohne mir seine Dienstmarke zu zeigen, und das in einer Gegend, in der die Kannibalen alte Leute in der Kirche überfallen.«
    »Was is mit dem Typ?« sagte Felix Ringo.
    »Gar nichts. Billy Bob ist in Ordnung. Er will bloß ein paar Sachen geregelt kriegen«, erwiderte Jack.
    »Machen Sie’s gut, Jack«, sagte ich.
    Ich ging hinunter zum Bootsanleger, wo mein Wagen stand. Ein warmer Wind wehte mir um den Rücken, und das Wasser leckte über die Kieselsteine und den Sand bis aufs Gras. Ich hörte Jacks Schritte hinter mir.
    »Der Junge kommt zu Ihnen in die Kanzlei. Er heißt Virgil Morales«, sagte er.
    »Warum tun Sie das?« fragte ich.
    »Weil Sie Ihre Probleme ständig auf Darl abwälzen. Machen Sie’s sich nicht unnötig schwer. Lassen Sie sich einen Gefallen tun.«
    »Ist Sammy Mace mit von der Partie?«
    »Dem gehört die größte Computerladenkette von ganz Südtexas. Ich habe in Vietnam Dörfer in Brand gesetzt, Sie haben in Mexiko Menschen umgebracht. Warum steigen Sie nicht endlich runter von Ihrem hohen Roß?«
    Als ich wegfuhr, sah ich, wie Felix Ringo eine Zigarette in eine goldene Filterspitze steckte, dann innehielt und aufstand, als Emma Vanzandt zu ihnen an den Tisch kam. Der schwarze Koch holte eine kalte Weinflasche aus dem Eiskübel, schlang ein Tuch darum und füllte die Kelchgläser auf dem Tisch. Seine Gäste schnitten ihre Steaks an und speisten genüßlich und in aller Gelassenheit.
    Ich hätte Jack Vanzandt am liebsten den Kopf abgerissen.
    Nach dem Abendessen suchte ich das alte Familienalbum meiner Mutter heraus und blätterte durch die spröden Seiten mit den vierzig Jahre alten Fotos. Am Kopf jeder Seite hatte meine Mutter, ganz die Bibliothekarin, jeweils das Jahr vermerkt, in dem die Bilder aufgenommen worden waren. Unter der Jahreszahl 1956 befanden sich fünf Schwarzweißfotos von meinem Vater bei der Arbeit und auf einem Betriebsausflug. Auf dem einen Bild stand er lächelnd und mit hochgeschobener Schweißerschutzhaube an einer Pipeline, hinter ihm ein halbwüchsiger Junge in einer gestreiften Latzhose und mit einer elektrischen Stahlbürste, mit der die Schweißnähte blank poliert wurden. Auf einem anderen Foto saß mein Vater mit einer Reihe hager wirkender Arbeiter und deren Frauen an einem Picknicktisch. Inmitten der Erwachsenen war wieder der gleiche halbwüchsige Junge mit dem Bürstenschnitt, den Segelohren und dem breiten, verstockt wirkenden Gesicht, das ganz und gar nicht zu

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