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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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wartete auf ihren Anruf, doch sie meldete sich nicht.
    Ich arbeitete an diesem Tag lange in der Kanzlei. Durch die Jalousien konnte ich die Kronen der Eichen und die Sonne sehen, die wie ein Leuchtfeuer hinter dem Gerichtsgebäude stand. Kurz nach sieben kam Temple Carrol vorbei.
    »Ich spendier ein Bier«, sagte sie.
    »Ich muß noch was tun.«
    »Na klar.« Sie setzte sich hin und legte ein Bein auf die Schreibtischkante. Sie schob ihre kastanienbraunen Haare aus dem Nacken. »War ein heißer Tag heute.«
    »Ja, es wird allmählich wärmer.«
    »Sie hat die Kurve gekratzt, was?«
    »Ich weiß es nicht, Temple. Ich erfahre nicht alles.«
    »Wollen wir über die Arbeit reden, oder soll ich abhaun?«
    Ich schob eine Niederschrift beiseite, die ich gerade gelesen hatte, und wartete.
    »Ich war mit Jamie Lake ein paar Kleider einkaufen, damit sie wenigstens halbwegs menschlich aussieht«, sagte sie. »Zuerst hat sie sich die durchsichtigen Dinger angeschaut, worauf ich gesagt hab: ›Jamie, mag sein, daß es ein Vorurteil ist und so weiter und so fort, aber Tätowierungen kommen bei Geschworenen nun mal nicht besonders gut an.‹
    ›Oh, ich kapier’s‹, sagte sie. ›Vornehme Leute sagen die Wahrheit. Und wer im Wohnwagen haust, lügt. Wow! Sagen Sie mal, zu welcher Sorte hat der verklemmte Lügendetektorfuzzi gehört, der mir ständig auf die Möpse geglotzt hat?‹
    ›Wir halten uns an das, was funktioniert, Kleines‹, sag ich.
    Sagt sie: ›Es geht doch nix übers Süßholzraspeln, stimmt’s? Ich hab mal zu nem Drogenfahnder gesagt: Jesses, Officer, ich hätt’s doch nicht geraucht, wenn ich gewußt hätte, daß es gesundheitsschädlich ist.‹ Danach war er so was von höflich. Er hat ihn sogar selber aus der Hose geholt.‹
    Billy Bob, die Kleine ist total durchgeknallt.«
    »Das ist der Großteil unserer Mandanten. Deswegen geraten sie ja ständig in Schwierigkeiten«, sagte ich.
    »Es geht noch weiter. Inzwischen war sie richtig kiebig geworden. Und sie holt ihre MasterCard raus und kauft sich für vierhundert Dollar Klamotten, die ich mir nicht leisten könnte.«
    »Das muß nicht heißen, daß sie Dreck am Stecken hat.«
    »Genau, und Jack Vanzandt und der Schmalzkopf, dieser Felix Ringo, haben sie aus lauter Menschenfreundlichkeit zu uns geschickt.«
    Ich rieb mir die Stirn und schaute auf den orange glühenden Sonnenuntergang über den Bäumen. Spottdrosseln schwirrten um den Glockenturm auf dem Gerichtsgebäude.
    »Ja, dieser Ringo paßt nicht dazu. Er ist ein Freund von Jack, er hat sich mit Sammy Mace rumgetrieben, und gleichzeitig hat er Beziehungen zur Bundespolizei«, sagte ich.
    Mit einemmal merkte ich, wie müde ich war. Ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, konnte es aber nicht. Ich spürte ihre Blicke.
    »Geh mit mir zu Abend essen«, sagte sie.
    »Ich werde Darl Vanzandt als Zeugen aufrufen«, sagte ich.
    Mary Beth rief auch an diesem Abend nicht an. Morgens fuhr ich in die Kanzlei und ging dann zu dem Ramschladen der Baptistenkirche, in dem Emma Vanzandt ehrenamtlich arbeitete.
    Sie stand an einem langen Holztisch hinten im Lager und sortierte gespendete Kleidung. Sie trug eine maßgeschneiderte Jeans, rote Pumps und eine weiße Seidenbluse mit roter Perlenstickerei. Sie blickte nicht einmal auf, als ich zu ihr hinging.
    »Jack und Felix Ringo haben mir ein paar Zeugen besorgt, die fast zu gut sind, um wahr zu sein«, sagte ich.
    »Na, ist doch großartig«, erwiderte sie.
    »Meiner Meinung nach hat Jack das möglicherweise getan, damit ich Ihren Sohn nicht behellige.«
    Sie schaute mir ins Gesicht und bildete mit dem Mund lautlos das Wort Stiefsohn.
    »Entschuldigen Sie, Ihren Stiefsohn, Darl.«
    »Wieso erzählen Sie mir das?«
    »Weil ich Darl trotzdem noch in den Zeugenstand zitieren werde.«
    »Würden Sie so freundlich sein und mir klar und deutlich sagen, worauf Sie hinauswollen.«
    »Darl war an dem Abend, an dem Roseanne Hazlitt überfallen wurde, draußen beim Shorty’s. Er ist geistig zurückgeblieben und schon früher wegen Gewalttätigkeit aufgefallen. Er hat Frauen zusammengeschlagen. Bei der geringsten Provokation rastet er aus. Alles Weitere können Sie sich denken, Emma.«
    »Ah, und damit haben wir unser Gewissen erleichtert, was? Den Gefallen, den Jack Ihnen getan hat, nehmen Sie an, aber weil Sie ja beweisen müssen, daß Sie ein ehrenwerter Mann sind, zitieren Sie einen Schwachsinnigen vor Gericht und heizen ihm vor den ganzen Negern und Mexikanern auf der

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