Dunkler Zauber
ihre Absicht gewesen, ihn zu versengen - doch mit einem Mal war der künstliche Schneemann von Rauchschwaden eingehüllt, der beißende Geruch von angesengtem Styropor durchzog die Luft und trieb hinüber in die anliegende Turnhalle.
»Um Himmels willen, Cam! Was hast du gemacht?« Shane versuchte gar nicht erst, seine Angst zu verbergen, während der Rauch immer dichter wurde. Der Schneemann hatte Feuer gefangen und die Schwaden schwarzen Qualms begannen den Raum zu verdunkeln.
»Dämlicher Dienerjunge!« Schon wieder diese Stimme, dünn und schrill. »Verschwende keine Zeit! Schnapp sie dir einfach!« Gleichzeitig sprang eine Gestalt hinter dem Schneemann hervor: ein Mann mit einem bleistiftdünnen Schnauzer und schütteren, fusseligen Barthaaren an seinem spitzen Kinn. Cam fand alles an ihm total unwirklich, ein Haufen Knochen in einem Hautsack. Angst kroch ihr in den Nacken. Sie hatte dieses Wesen schon einmal gehört.
Es war ...?! Der Hexer! Der die Gestalt einer riesigen Eidechse annehmen konnte. Den Ileana mit Fredo angesprochen hatte. Das wusste Cam noch, denn sowohl der Name als auch der Mann hatten sie geradezu an ein Frettchen erinnert. Er hatte schon einmal versucht, die Zwillinge zu entführen. Damals war ihre tapfere Beschützerin Ileana dazwischengegangen.
Diesmal war Cam auf sich gestellt.
Er wollte sich auf sie stürzen, doch sie war zu schnell und zu schlau. Mit einer Bewegung, die sie unzählige Male auf dem Fußballfeld geübt hatte, täuschte Cam einen Ausfall nach links an, duckte sich dann unter seinem rechten Arm hindurch und stürzte zur Tür hinaus - genau auf die Mitte der überfüllten Halle zuhaltend, hinter ihr wogende Schwaden des stinkenden Rauchs.
Cam raste an schockierten Kids vorbei, boxte sich durch tanzende Pärchen.
»Wo ist Mrs Hammondü«, schrie sie.
Der beißende, heiße Rauch ließ die Temperatur in der Halle rapide ansteigen. Die Feuermelder schlugen Alarm. Panik ergriff die Kids.
Dann vernahm man in der Nähe mehrfach ein lautes Knallen, das beinah das Geschrei der Menge übertönte. Cam wirbelte herum und sah ihn - Fredo! - hinten beim Büfett! Systematisch schmiss er Teller und Gläser an die Decke - mit einer solchen Kraft,' dass sie die Glühbirnen zerschmetterten und die Turnhalle in tiefster Dunkelheit versank.
Ihre eigenen Scheinwerfer-Augen sahen, was niemand anders sehen konnte: Der frustrierte, wutschäumende Hexer wandte sich zur Bühne und feuerte mit voller Wucht auf die Band. Augenblicklich gaben die Verstärker ein zischendes Geräusch von sich und verstummten! Was hatte er vor? Wollte er die ganze Turnhalle in die Luft jagen? Cam rechnete damit, dass jeden Moment Flammen auf der Bühne auflodern würden. Stattdessen fühlte sie auf einmal, wie sie bis zu den Knöcheln in ... einer schleimigen, klebrigen Masse stand. Was war das ? Fredo stand nunmehr an der hinteren Wand, zog mit God-zilla-mäßiger Kraft an der Hauptwasserleitung - so fest, dass sie platzte. Der Gestank von etwas Fauligem, Ekligem durchflutete den Raum. Es war, als sei ein verseuchter, giftiger Fluss über die Ufer getreten. Die allgemeine Panik wuchs zum Inferno. Was einmal ein bezaubernder Schulball der Marble-Bay-High-School gewesen war, verwandelte sich in einen schwarzen und schleimigen Albtraum; das Winter-Wunderland erinnerte an eine riesige Jauchegrube; eine verängstigte, schreiende, schubsende Masse von Kids jagte in wilder Flucht über einen morastigen Boden dem Ausgang zu. Jetzt sprang die Schulleiterin, Mrs Hammond, auf die Bühne und rief mit gellender, das laute Geschrei übertönender Stimme in die Halle ...
»Bewahrt bitte die Ruhe! Es gibt kein Feuer in der Turnhalle. Das Wasser wird euch nichts tun. Ihr seid nicht in Gefahr. Wir werden alle Türen und Notausgänge öffnen und ihr begebt euch bitte geordnet auf den Hof.«
Ihr tapferes Bemühen konnte nicht gegen das weiter ansteigende Wasser und den würgenden Gestank im Raum ankommen. Schluchzende und kreischende Kids, die zu entkommen versuchten, rutschten aus und fielen der Länge nach in den Matsch. Cam merkte, wie sie langsam von der Menge verschluckt wurde, sie war umgeben von einem ungebärdigen Gewirr aus rudernden Armen und Beinen. Durch den Lärm hindurch meinte sie zu hören, wie ihre Freunde einander riefen. Sie musste irgendetwas unternehmen - bloß was? Was nützte es jetzt, Menschen zu blenden und ihnen mit ihrem verblüffenden Blick ein Geständnis zu entringen? Was hatte sie davon, dass sie
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