Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
Vom Netzwerk:
einmal im Verborgenen weitersuchen. Wem hätte er mit seiner Entdeckung Schwierigkeiten machen können? Mir fällt sofort dieser Köhler ein. Er war mir von Anfang unheimlich. Oder Gero von Bentheim.
    Zwillingsforschung. Angenommen G.v.B. wusste, dass wir Zwillinge sind. Vielleicht war es so: Seine Frau konnte wegen einer Krankheit nicht schwanger werden. Sie nehmen sich eine Leihmutter. Dummerweise kriegt die auf einmal Zwillinge. G.v.B. hat aber nur ein Kind bestellt. Zwei sind ihm zu viel wegen der kranken Frau. Also legt er eins der beiden auf dem Uniklo ab. Das mit den verschiedenen Geburtsdaten ließe sich auch erklären. Mein Geburtsdatum wurde ja nur geschätzt. Und weil ich so klein und leicht war, haben sie mich jünger geschätzt, obwohl ich wie Maurice Mitte Februar geboren wurde. Am selben Tag wie er. Das hieße, wir sind doch Zwillinge. Am Ende hat er herausgefunden, dass er noch einen Bruder hat und nach mir gesucht? Wenn er geahnt hätte, dass ich manchmal ganz in seiner Nähe bei meiner Oma zu Besuch war!
    Es muss ihm ziemlich dreckig gegangen sein in den letzten Wochen vor seinem Tod. Justin hat erzählt, dass er nicht nur dieses Rita gesnifft hat, sondern sich noch alles mögliche andere Pulver reingezogen und Tabletten genommen und überhaupt geraucht hat, was er kriegen konnte. Er muss sich fürchterlich allein gefühlt haben. Vielleicht wäre es gut für ihn gewesen, wenn er mich gefunden hätte. Wir hätten gemeinsam rausgekriegt, was damals bei unserer Geburt los war und warum wir getrennt wurden. Ich glaube, wir wären gut miteinander klargekommen, obwohl wir in einigen Dingen sehr verschieden sind. Vielleicht hätte ich dann sogar verhindern können, dass er … Stopp, Max! Verrenne dich nicht wieder! Es gibt einiges, was gegen diese Zwillingstheorie spricht. Ihr seht euch ähnlich, aber nicht wie Zwillinge. Solche Ähnlichkeiten können Zufall sein. Wenn ich daran denke, wie vielen Mädchen Annalena ähnlich sieht, nur weil dieser Style gerade in ist. Und anfangs – ohne entsprechendes Styling – hielten mich alle nur für Maximillian Friedhelm Wirsing und nicht für Maurice. Diesen Zwilling habe ich mir selbst gebacken. Und außerdem: Welche Rolle hat dann diese Hebamme gespielt? Braucht man eine Hebamme, wenn man von jemand anderem ein Kind annimmt?
    Na ja, wenn man das alles illegal macht und das Kind für sein eigenes ausgeben will, dann schon. Muss ich jetzt annehmen. G.v.B. ist mein leiblicher Vater in Form eines Samenspenders für die Leihmutter? Gruselig! Aber vielleicht sind meine wirklichen Eltern ja auch ganz andere Leute. Aber warum hat Maurice über Zwillingsforschung recherchiert?
    Es ist fürchterlich, nichts passt zusammen. Soll ich jetzt weitermachen mit der Suche (wonach eigentlich?) oder soll ich einfach die Finger davon lassen und alles so nehmen wie es ist?
    Ich komme mir vor wie bei einem gigantischen Memory-Spiel. Allerdings sind die Karten lebendig und unterscheiden sich kaum voneinander. Du deckst ein Bild auf und denkst: Jetzt weißt du, wo der passende Partner liegt. Dann drehst du das nächste um, und das unterscheidet sich dann doch in einem winzigen Detail. Irgendwo, in deinem tiefsten Innern, hoffst du irrerweise, das passende Bild niemals zu finden. Eigentlich willst du aufhören mit diesem gruseligen Spiel. Doch dann greifst du wieder zu, deckst das nächste Bild auf. Fast schon zwanghaft! Ich frage mich manchmal: Wer führt mir hier eigentlich die Hand? Bist du es, Bruder?
    Max gähnte. Es war bereits weit nach Mitternacht. Er stopfte schnell noch das Tagebuch in den Tiger, dann kroch er verfroren unter die Bettdecke und fiel sofort in einen narkotischen Schlaf. Das Letzte, was er hörte, waren die Geräusche, die Schorsch verursachte, als er sich auf dem Tiger eine Kuhle für die Nacht zurechttrampelte.
    Schorsch tauchte anschließend in seinen Träumen auf. Er hatte den verlorenen USB -Stick im Maul und wollte ihn nicht hergeben. »Aus!«, rief Max. »Schorsch, nicht, gib das her!« Doch Schorsch legte den Stick nur in sicherer Entfernung auf den Boden und nahm ihn sofort wieder auf. Er kratzte auf dem Boden und kläffte. »Aus, Schorsch«, murmelte Max. Schorsch hatte jetzt ein Laptop im Maul und sauste damit im Slalom um den Schrott in Mittelerde. Der brandige Geruch aus dem alten Ofen breitete sich aus. Das Laptop lag im Feuer und stank erbärmlich nach geschmolzenem Kunststoff. Im langen Fell von Schorschs Ohren baumelten unzählige Sticks. Er

Weitere Kostenlose Bücher