Dunkles Begehren
Richter! Brice wusste es einfach.
Erpressung? Geld?
War dieser Mann reich? War es das? Immer wenn Brice gerade ein wichtiges
Argument vorgebracht hatte, hatte Gabriel dem Richter in die Augen geblickt und
alles zu seinem Vorteil verändert. Brice starrte seinen Rivalen an. Wenn
Gabriel den Blick erwiderte, schienen seine schwarzen Augen eine Drohung
auszusprechen, die Brice eisige Schauer über den Rücken jagte. Wer ist er?,
fragte er sich. Wo war er in den vergangenen Jahren? Mordete er etwa im
Auftrag der Regierung? Beschäftigte die Regierung solche Leute? War er ein
Verbrecher, den der Richter noch von früher kannte? Brice wusste genau, dass
Gabriel Francesca irgendwie erpresste. Das musste es sein! Er zwang sie dazu,
ihm zu gehorchen. Vielleicht war es günstig, dass Skyler bei Francesca wohnen
würde. Dann würde sie sehen, was in dem Haus vor sich ging, und konnte Brice darüber
Bericht erstatten. Dazu musste er das Vertrauen des Mädchens gewinnen, es
davon überzeugen, Francesca zu beobachten. Er würde Skyler zu seiner
Verbündeten machen müssen.
Brice nickte
langsam. »Dann gebe ich mein Einverständnis, Euer Ehren, da Sie offenbar über
Gabriels Hintergrund informiert sind.«
Gabriel lächelte
freundlich. »Ich danke Ihnen, Doktor, obwohl ich nicht wusste, dass Ihr
Einverständnis in diesem Fall erforderlich ist. Offiziell ist Skyler dem
Gericht unterstellt.« Der Gedanke, Brice könnte in dieser Angelegenheit
irgendetwas zu sagen haben, schien ihn zu amüsieren.
Brice errötete.
Dieser verdammte Kerl und seine guten Manieren. Seine Stimme war so schön und
faszinierend, so freundlich, dass niemand etwas bemerkte, doch er beleidigte
Brice mit Absicht. »Skyler ist meine Patientin. Sie braucht mein Einverständnis,
um das Krankenhaus zu verlassen. Ich nehme meine Arbeit sehr ernst.« Sofort
versuchte er, seine Autorität wiederherzustellen.
Gabriel neigte den
Kopf, und die Geste sprach vom Charme der Alten Welt und vom Leben bei Hofe,
als wäre er ein Prinz, der sich mit einem Untergebenen abgibt. Brice biss die
Zähne zusammen, um nicht laut zu fluchen. Er hasste alles an Gabriel. Die
große, athletische Gestalt, die breiten Schultern, das lange, glänzende Haar,
das im Nacken mit einem Lederriemen zusammengebunden war. Wie konnte ein
erwachsener Mann so elegant aussehen, obwohl er sein Haar so trug? Brice hasste
seine erlesene Kleidung, die sinnlichen Lippen, den unerbittlichen Ausdruck in
seinen Augen. Doch am allermeisten hasste er Gabriels Selbstsicherheit, die
Aura der Macht, die den Mann umgab. Er wirkte wie jemand, der daran gewöhnt
war, Befehle zu erteilen. Gabriel hätte im Mittelalter einen ausgezeichneten
Feudalherrn abgegeben. Außerdem schien er sich im Stillen über Brice zu
amüsieren, als wäre er nichts weiter als eine lächerliche Figur.
Gabriel schenkte
ihm ein freundliches Lächeln, bei dem seine perfekten weißen Zähne aufblitzten.
Wie schaffte er es nur, dass sie so weiß blieben? Am liebsten hätte Brice ihm
jeden einzelnen dieser glänzenden weißen Zähne ausgeschlagen. »Skyler befindet
sich bereits auf dem Wege der Besserung. Francesca erzählte mir, dass sie mit
jedem Tag kräftiger wird. Ich bin sicher, dass es nicht mehr lange dauert, bis
sie mit uns nach Hause kommen kann.«
Überraschenderweise
war es Skyler, die antwortete. »Ich fühle mich bereits viel besser.« Ihre
Stimme zitterte leicht, doch sie sprach die Worte mit Nachdruck. »Und falls
meine Meinung jemanden interessiert, ich möchte bei Francesca und Gabriel
leben.« Sie wusste nicht, warum sie plötzlich Gabriels Namen hinzugefügt hatte,
obwohl sie eigentlich nur Francesca meinte. Männer jagten ihr Angst ein, selbst
Gabriel, obwohl sie nichts als Mitgefühl und Sorge in ihm spürte.
Skyler war über
ihren Ausbruch erstaunter als alle anderen. Seit Monaten hatte sie mit
niemandem mehr gesprochen, und nun sah sie sich lauter fremden Erwachsenen
gegenüber, die über ihr Leben entschieden. Sie fürchtete sich und war dankbar
für ihren Wolf und den eigenartigen Trost, den das Stofftier zu vermitteln
schien.
»Das freut mich zu
hören«, antwortete Brice sofort, wohl wissend, dass er sich zurückhalten
musste. »Wenn es dir besser geht, sind wir alle froh, Skyler.« Er drehte den
anderen den Rücken zu, da er wusste, dass Gabriel ansonsten die Lüge in seinen
Augen gesehen hätte. Skyler sollte ihm dankbar sein, schließlich war er ihr
Arzt und hatte seine Zulassung riskiert, indem er Francesca ohne
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