Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
ein Gerücht. Außer Lucas, der gelegentlich in einem Anfall von Gefühlsduselei menschliche Gesellschaft suchte, war ihnen noch kein Familienmitglied begegnet. Vermutlich hielten die Leute sie für reiche Pinkel, die sich zu fein waren, um mit der gemeinen Bevölkerung zu verkehren. Bis auf das dumme Gerede war das auch gut so. Das hielt sie wenigstens auf Abstand.
Ah, das Haus! Jarout bildete sich gern ein, einen Sog zu spüren, der immer stärker wurde, je näher er kam. Als wäre er ein Schiff, das die Strömung an die Küste zog.
Er spürte, wie Karen seinen Arm drückte. Erstaunt sah er auf ihre Hand herab. Ihr Puls schlug heftig vor Aufregung. Schwächliche, menschliche Kraft, aber diese Wärme war erstaunlich. Sie merkte wohl, dass er das Tempo verlangsamte, und schloss daraus, dass sie nun bald ihr Ziel erreichten. Ihr Mund öffnete sich, und sie versuchte etwas zu sagen, doch die Spiegel verschluckten ihre Worte. Er hätte ihr wohl erklären sollen, dass er sie nicht hören konnte, solange sie in Bewegung waren.
Mit einem Kopfschütteln bedeutete er ihr, sie solle sich beruhigen. Ihr blieb noch mindestens dieser Tag, bevor sie auf Lucas traf. Die Sonne ging bald unter und trieb alle in den Schlaf, einschließlich Lucas und bedauerlicherweise auch ihn.
Doch auch seine eigene Nervosität stieg unwillkürlich.
Jetzt rauschten sie bereits durch die feinen Tautropfen auf den Blättern der Bäume, die entlang der Auffahrt zum Haus standen.
Deutlicher, aber seltsam gekrümmt rann die Umgebung in sanften Wellen vorbei, als er die Geschwindigkeit weiter verringerte und langsamer weitertrieb.
Schließlich ließ er sich, Karen hinterherziehend, aus einer Fensterscheibe fallen, in der zu seinem Schrecken die ersten Lichtfunken des anbrechenden Tages blitzten. So schwach war das Sonnenlicht noch angenehm. Dort wo die feinen Strahlen ihn trafen, kribbelte seine Haut, als liefen viele kleine Insekten darüber. Doch er wusste, dass er unglaublich vorsichtig damit sein musste und auf gar keinen Fall die lähmende Müdigkeit unterschätzen durfte, die ihn als Hirudo bei Tagesanbruch überkam.
Suchte er nicht rechtzeitig an einen lichtgeschützten Ort Unterschlupf, öffnete sich eines der Tore zwischen den Welten und zog ihn unweigerlich nach Melacar, der ursprünglichen, für sie aber unbewohnbar gewordenen Welt der Hirudo. Erschaffen von Maratos, dem Ersten unter ihnen, war Melacar eine Welt, die parallel zu der, der sterblichen existierte.
Den purpurroten Himmel mit seinen zwei Monden, die Schönheit der tiefdunklen Seen und grünen Hügel kannte er nur aus den wehmütigen Erzählungen anderer. Niemand ging mehr nach Melacar seit Maratos beschloss, jeden dort eintreffenden Hirudo zu töten.
Er fürchtete um seine Macht und setzte alles daran, die Nachkommen seiner Kinder auszulöschen.
Berichten anderer zufolge konnte man sich ebenso gut vom Tageslicht einäschern lassen. Jetzt wollte er jedenfalls nur noch eines, und zwar so schnell wie möglich in den Keller verschwinden, sich in der Sicherheit der dunklen Gewölbe auf seinem Bett zusammenrollen und den Tag abwarten.
Seine »kleine Schwester« musste jetzt allein bleiben. Ob es ihr nun gefiel oder nicht. Und er musste ihr wohl oder übel das Leben der Hirudo in die Hand geben, da er nicht wusste, ob sie fähig war, die Kellertür trotz aller Sicherheitsvorkehrungen zu öffnen. Er konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass sie eine von der Sorte war, die holzkeilschwingend in einem finsteren Keller Amok lief. Nicht ehe sie bekam, weswegen sie hergekommen war.
7. Kapitel
Die Panik in Jarout Augen überraschte Karen. Die Sonne war eben erst aufgegangen, doch das schien ihm völlig zu reichen.
«Entschuldige mich. Wir reden heute Abend», nuschelte er eilig und schon war er verschwunden. Nur noch die wabernde Glasfläche des Fensters verriet ihr, wohin er geflüchtet war. Völlig entgeistert schnappte sie nach Luft. Er war das also. Jarout war der Geist von letzter Nacht. Aber warum wunderte sie sich überhaupt noch darüber? Eigentlich sollte ihr doch mittlerweile klar sein, dass er ein hinterlistiger Bastard war, der seinen Plan schon seit langer Zeit verfolgte. Ihr wurde übel bei dem Gedanken, dass er sie vielleicht schon seit Wochen ausspionierte, ohne dass sie etwas davon mitbekam.
«Na, ist ja toll», sagte sie laut, «und jetzt lässt du mich hier einfach so stehen.»
Sein fantastischer Plan sah also vor, sie mitten in der Auffahrt vor Lucas Haus
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