Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
ihren Pullover und die Jeans aus und warf beides auf den Hocker vor dem Spiegel.
Der glatte Seidenstoff fühlte sich großartig an. So kühl und geschmeidig. Gebannt bestaunte sie die funkelnden Perlen und die feine, handgearbeitete Spitze. Mit einem Mal sah sie die Zimmerwände und Konturen der Möbel verschwimmen. Unvermittelt fand sie sich mitten in einem hell erleuchteten Saal wieder. Undeutlich, wie Phantome, rauschten tanzende Paare an ihr vorbei. Überall sah sie prächtige Kostüme und funkelnde Juwelen. Weiß geschminkte Gesichter flogen dicht an ihr vorbei, doch das Lachen aus ihren weit aufgerissenen Mündern klang wie aus weiter Ferne. Schlagartig verschwand all das helle Licht, der schillernde Sternenglanz der funkelnden Kristallleuchter, die lachenden Menschen und wechselte in das Szenario einer nächtliche Straße. Sie konnte den regenfeuchten Schmutz am Straßenrand riechen. Gaslaternen beleuchteten flackernd die grauen Hauswände und aus dem Rinnstein stieg dichter Dunst auf. Mit lauten Stampfen und Rattern dröhnte eine Kutsche so dicht an ihr vorbei, dass sie den Fahrwind auf ihrem Gesicht spürte. Erschrocken machte sie einen Satz nach vorn ... und warf das Kleid auf den Boden.
«Was ist? Bist du fertig?»
Jarout stand immer noch mit dem Gesicht zum Bett und wartete mehr oder weniger geduldig.
«N ... nein, gleich. Augenblick noch!», stammelte sie.
Karen dachte nicht daran, ihm zu verraten, was gerade passiert war. Nicht, weil sie der Meinung war, er glaube ihr nicht, sondern weil sie nicht wollte, dass er auch noch Wind davon bekam, dass sie durch bloßes Anfassen von Gegenständen Informationen über die Person erhielt, die zuletzt damit in Kontakt war. Schlimm genug, dass er über ihre telepathische Begabung Bescheid wusste.
Zaghaft griff sie nach dem Kleid. Sie wartete, doch nichts geschah. Aufatmend hob sie das Kleid auf, raffte es zusammen und kletterte vorsichtig hinein.
Das gerade geschnittene Dekolleté schmiegte sich perfekt an ihre Brust, und auch die schmalen Ärmel passten wie angegossen. Nur der Rock war ein wenig zu lang. Blanche ist doch um einiges größer als ich? überlegte Karen, wohingegen sie selbst etwas breiter war. Wie dem auch sei, sie musste den Saum eben beim Laufen hochraffen, wenn Jarout ihr nicht auch noch Schuhe mit hohen Absätzen aufschwatzte. Ein weiteres Problem stellte das durch Fischbeineinsätze gestützte Mieder dar, das noch aus einer Zeit stammte, als Reißverschlüsse schlichtweg noch nicht erfunden waren.
Stattdessen waren auf der Rückseite hunderte kleiner Haken und Ösen angebracht. Aha, deshalb hattet ihr früher Zimmermädchen, die euch beim Anziehen helfen mussten! dachte sie und drehte und wendete sich in dem hilflosen Versuch, die sturen kleinen Dinger zusammenzubringen. Doch schon stand Jarout hinter ihr.
«Warte, ich helf' dir!», murmelte er und legte seine kühlen Hände auf ihre Schultern.
Im Spiegel konnte sie beobachten, wie er mit konzentriertem Gesichtsausdruck einen Haken nach dem anderen schloss. Zentimeter um Zentimeter wanderten seine nestelnden Finger langsam ihren Rücken hinunter, während sich ihr das weiche Innenfutter des Mieders allmählich enger um Brustkorb und Taille legte.
«So, gleich hab ich's. Passt doch prima, oder?», murmelte er. Jarouts Hände fühlten sich wie Eis an, als er ihr Haar im Nacken teilte und zwei dichte Strähnen zu beiden Seiten über ihre Schulter nach vorn legte und seine Finger kurz die empfindliche Haut an ihrer Kehle streiften. Karen schauderte.
«Ich hab eine Idee!» Jarout lachte leise und tauchte beide Hände übermütig in ihr Haar, raffte die lockigen Strähnen an ihrem Hinterkopf hoch und zupfte verspielt einige Strähnen heraus. «Was hältst du ...»
Für einen Moment hielt er inne. Sein Atem strich warm über ihre Schultern, und als er seine Hand an ihre Wange legte, fuhr sie erschrocken zusammen und schloss die Augen.
«Wunderschön!», flüsterte er und streichelte sanft über ihre linke Wange, wobei seine Finger kaum ihre Haut berührten. Entsetzt spürte sie sein Gesicht, auf der rechten Seite, in der Beuge zwischen Schulter und Hals. Seine Lippen teilten sich und mit der Zunge, rau wie die einer Katze, leckte er genüsslich über ihren klopfenden Puls.
Hör auf damit, Karen! dachte sie verzweifelt. Du darfst nicht ... Was? Was durfte sie nicht? Mit weichen Knien lehnte sie sich zurück und genoss die wohlige Wärme, die ihr vom Bauch aus durch den ganzen Körper
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