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Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis

Titel: Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Schröder
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Was für ein Ausbund an Charme und Liebreiz, dachte er sarkastisch. Wenn Seamus nicht über die Fähigkeit verfügte, nichts ahnenden Menschen seinem Willen zu unterwerfen, stünde er wohl noch morgen früh mit ihren Koffern in der Halle.
    Eilig lief er durch die Absperrung zu den Treppen, die hinauf zu den Bahnsteigen führten. Aufmerksam sah er sich um. So spät am Abend waren nur sehr wenige Fahrgäste unterwegs. Ein Mann saß mit einem braunen Koffer auf dem Schoß, auf der Bank neben der Fahrplantafel. Eine junge Frau, in geflickten Strumpfhosen und einem viel zu großen Kleid, stelzte nervös auf und ab. Sie reckte sich alle paar Augenblicke in hoffnungsvoller Erwartung über den Bahnsteig hinaus. Sie blickte in die Richtung, aus welcher der hoffentlich bald eintreffende Zug kommen musste.
    Zwei Menschen. Lucas überlegte erst gar nicht und eilte unbemerkt bis ans Ende der Plattform und sprang auf die Gleise hinunter. Seine Erwartungen blieben nicht unerfüllt. Zwischen den abgestellten Waggons fand man immer jemanden. Entweder einen Bahnangestellten, einen Obdachlosen oder jugendlichen Ausreißer, die auf der Suche nach einem windgeschützten Schlafplatz hierher kamen, weil man sie aus der Bahnhofshalle vertrieb.
    In diesem Fall war es ein Gleiswärter, der sich hinter einem Güterwagen versteckte und ganz darauf konzentriert war, seine, in eine Papiertüte gewickelte Flasche, zu leeren.
    Beim Anblick des auf und ab gleitenden Kehlkopfes unter der unrasierten Haut der gestreckten Kehle fuhr Lucas sich unwillkürlich mit der Zunge über die Lippen.
    Ja, kein Zweifel, er war hungrig.
    Lautlos schlüpfte er zwischen die rostigen Wagen und schlich sich von hinten an den schon halb betrunkenen Mann heran. Erst, als er direkt hinter ihm stand, beugte er sich vor und tippte ihm auf die Schulter. «Bekomme ich auch einen Schluck?», flüsterte er leise.
    Erschrocken fuhr der Wärter mit weit aufgerissenen Augen herum. Still! befahl Lucas ihm in Gedanken, und sofort verlor der Blick des Mannes jeglichen Ausdruck, und sein Gesicht entspannte sich zu einer schlaffen Maske.
    Geschickt fing Lucas die herabfallende Flasche auf und stellte sie vorsichtig auf den Boden. Er wollte nicht, dass der arme Kerl sich hinterher fragte, was geschehen war. Er wollte keine Spuren, die darauf hindeuteten, dass etwas Ungewöhnliches geschehen war. Dann griff er nach dem rechten Arm des Mannes und öffnete, mit vor Ungeduld zitternden Fingern, den Knopf seines Hemdsärmels.
    Oh Gott, verzeih mir! betete er stumm, leckte leicht über die weiche Haut an der Innenseite des dürren Handgelenks und brach dann mit einem schnellen Biss seiner scharfen Zähne die darrunterliegende Ader auf. Köstlich, heißes, würziges Nass füllte augenblicklich seinen saugenden Mund. Das salzige Aroma prickelte auf seiner Zunge, rann in goldenem Strom seine Kehle hinab und breitete sich wie ein warmer Schauer in seinem Magen aus.
    Lucas schloss die Augen und stieß ein lang gezogenes Stöhnen aus. Das reicht! befahl er sich. Genug, hör auf! Widerwillig ließ er von dem Mann ab. Er musste die ihm zugefügte Wunde sich noch schließen lassen. Also wartete er. Wenige Sekunden später waren die verräterischen Male verschwunden. Eines der wenigen »Wunder« für das ihm bislang niemand eine Erklärung geben konnte - Ließen sie von ihren Opfern ab, schlossen sich deren Verletzungen innerhalb kürzester Zeit. Nicht einmal Narben blieben zurück. Keine auffälligen, rot entzündeten Bissspuren auf Hälsen nächtlich geschändeter Jungfrauen, die am nächsten Morgen mit bleicher Miene und glasigem Blick erwachten.
    Blieb ihm nur noch eines zu tun. Der Mann musste vergessen. Lucas konzentrierte sich kurz. Dann suchte er auf die Art, wie Seamus es ihm beigebracht hatte, in den durcheinanderhuschenden Gedanken des anderen nach den kurzen Minuten, die er Lucas bewusst sah und »radierte« sie aus.
    Er beeilte sich wegzukommen, denn die Wirkung seines telepathischen Befehls an den Gleiswärter, ruhig zu sein, konnte jede Sekunde nachlassen, und dann wollte er nicht von ihm gesehen werden.
    Als er den beleuchteten Bahnsteig erreichte, verlangsamte er seinen Schritt und atmete erleichtert auf.
    Er war immer froh, wenn »es«, wenn die Jagd vorbei war und so glatt lief wie gerade eben. Schaudernd warf er im Vorübergehen einen Blick auf sein Spiegelbild in einer der verglasten Fahrplantafeln. Sogar in der undeutlichen, dunklen Reflexion sah er, dass seine Haut um einige

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