Dunkles Fest der Leidenschaft
konnte es nie fühlen. Nicht den Schmerz, nicht den Zorn, nicht ihre Verzweiflung. Als ich sie vorhin berührte, sie in meine Arme nahm und mit ihrem Bewusstsein verschmolz, war alles da, hinter dem Schutzschild, den Francesca und Gabriel errichtet haben, um sie davor zu bewahren. Doch es war alles da, und dieses Mal, Mikhail, dieses Mal fühlte ich es. Jeden Schmerz, jede Demütigung, jeden Missbrauch. Den Zorn und die Schuldgefühle ... und ich hörte, wie sie um Hilfe bettelte – flehte. Wo war ich, als sie Hilfe brauchte?«
»Du warst damit beschäftigt, deine Pflicht zu erfüllen, Dimitri, so wie wir alle es tun müssen. Skyler ist stark und wird mit jedem Tag stärker. Ich gebe nicht vor zu verstehen, warum manche Männer Frauen und Kinder derart brutal behandeln, ich werde so etwas nie begreifen, aber ich weiß, dass es vorkommt. Jetzt ist sie in Sicherheit und glücklich. Gabriel und Francesca kümmern sich um ihre Ausbildung und werden sie irgendwann vollständig in unsere Welt holen.«
Dimitri fuhr sich mit einer Hand über sein Gesicht. »Als ich sie sah, schaute sie wie ein Engel aus, Mikhail. Ich habe nie gewusst, was es bedeutet, jemanden mit diesem Wort zu beschreiben, aber in ihr sind Reinheit und Güte. Ich brauche sie. Die Dunkelheit rückt näher, und ich fürchte, ich schaffe es vielleicht nicht mehr lange, wie ein Ehrenmann zu handeln.«
»Jeder von uns hat seine Augenblicke der Schwäche, Dimitri. Skyler ist deine Gefährtin des Lebens, und deshalb musst du tun, was für sie richtig ist. Und das heißt: überleben und durchhalten, bis es so weit ist, dass sie zu dir kommen kann. Arbeite mit Francesca und Gabriel zusammen, nicht gegen sie. Skyler zu entführen oder zu früh an dich zu binden, wird euch letzten Endes nur beiden wehtun, und ich denke, das weißt du auch. Wenigstens gibt es für dich im Gegensatz zu vielen anderen Hoffnung.«
»Hoffnung? Wenn sie noch ein Kind ist und ich in die Leere meines Daseins zurückkehren muss? Wenn ich weiß, dass ich sie für mich beanspruchen werde, wenn ich hierbleibe? Wenn ich jede Grausamkeit fühlen kann, die man ihr angetan hat, und unfähig bin, ihr dieses Leid zu nehmen?« Dimitri ließ sich wieder auf den Felsblock sinken und schüttelte den Kopf. »Ich bin verloren, Mikhail.«
Der Prinz kauerte sich neben ihn. »Das kann nicht sein. Skyler muss mit dem leben, was ihr passiert ist, und als ihr Gefährte des Lebens musst du es auch.«
»Und mich für alle Ewigkeit dafür schämen, dass ich sie nicht beschützen konnte?«
»Du empfindest Wut, ohnmächtige Wut, doch deinetwegen, nicht ihretwegen. Es wäre deine Pflicht und dein Recht, Vergeltung zu üben und Gerechtigkeit walten zu lassen, aber weil dir das nicht möglich ist und weil nur die Folgen dieser furchtbaren Verbrechen vorhanden sind, die Seelenqualen und die Narben, macht dich der Gedanke rasend, dass du nicht fähig warst, sie zu beschützen. Sie war ein Kind, und du warst Tausende Meilen von ihr entfernt. Du wusstest nichts von ihrer Existenz. Du bist ein Vampirjäger, und du weißt, was Ehre und Pflichterfüllung bedeuten. Benimm dich jetzt auch wie ein Mann von Ehre. Du musst um sie werben, wie es ihr zusteht. Lass sie bei Francesca und Gabriel gesund werden, damit sie vollständig und aus freiem Willen zu dir kommt. Das ist das Geschenk, das du ihr machen kannst – und es ist weit mehr, als die meisten von uns ihren Gefährtinnen geben konnten.«
Dimitri atmete tief ein. »Früher starrte ich jede Nacht zu den Sternen hinauf und stellte mir vor, dass sie irgendwo auf der Erde dieselben Sterne anschaute. Ich versuchte, mir ein Bild von ihr zu machen, doch sie war so schwer greifbar. Und als ich sie dann sah, mit ihrer weichen Haut und ihren schönen Augen, wusste ich, dass ich ihr Bild nie hätte heraufbeschwören können, so lebhaft meine Fantasie auch sein mag.«
»Wirst du dir von Gregori helfen lassen?«, fragte Mikhail erneut.
Dimitri fuhr sich mit beiden Händen durch sein schwarzes, schweißnasses Haar. »Damit muss ich selbst fertig werden, Mikhail. Ich bin jetzt schon seit vielen Jahrhunderten auf mich allein gestellt, und es fällt mir schwer, etwas mit anderen zusammen zu machen, selbst mit Angehörigen meines eigenen Volkes. Ich habe viel Zeit in der Gestalt eines Wolfs verbracht, um mit meinem Rudel durch die Wälder zu streifen.«
»Es birgt eine gewisse Gefahr, den Weg der Wildnis zu gehen.«
Dimitri nickte. »Wenn die Last zu schwer wird, suche ich den
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