Dunkles Feuer
Wange glühte.
„Ich gehe die ganze Woche schuften und du versäufst das Geld! Wo ist es?“, tobte Richards Vater.
„Weg“, flüsterte seine Ehefrau.
„Weg?“, wiederholte ihr Mann schrill.
Diesmal schlug er mit der Faust zu. Mit einem hässlichen Knirschen brach die Nase der Frau. Tränen schossen in ihre Augen, ein Schwall von Blut ergoss sich auf ihr geblümtes Kleid.
„Was soll ich jetzt essen?“, schrie Mr.Cameron. „Was soll der Junge essen? Und was zum Teufel soll der verdammte Köter essen?“
Mrs.Cameron schwieg. Sie wusste, jedes weitere Wort, jeder Versuch, sich zu rechtfertigen, würde neue Wutausbrüche nach sich ziehen.
Für einen kurzen Augenblick legte sich ein drohendes Schweigen über die Szene. Richard dachte, sein Vater würde seine Mutter weiter schlagen, aber der große Bauarbeiter wandte sich um und ging. Mit einem lauten Geräusch knallte die Tür des Wohnwagens hinter ihm zu.
King knurrte noch immer. Richard kraulte sein Brustfell, und der Hund beruhigte sich. Mrs.Cameron schwankte zum Waschbecken. Sie schöpfte abgestandenes Wasser aus einem Plastikeimer und begann, sich das Gesicht zu waschen. Als sie fertig war, ging sie zum Küchenschrank hinüber. Mit zitternden Fingern fasste sie nach der braunen Milchflasche, in die sie den Whisky umgefüllt hatte, damit ihn ihr Mann nicht entdeckte. Sie seufzte leise, und es klang fast glücklich, als sie die Flasche an die Lippen setzte.
Richard ließ seine Hand in die Hosentasche seiner Jeans gleiten. Der schmierige Fünfdollarschein, den er aus dem Geldbeutel seiner Mutter gestohlen hatte, fühlte sich unsagbar gut an.
„Komm mit, King“, flüsterte er in das Ohr des Hundes. „Ich gehe uns etwas zu essen kaufen.“
Richards Mutter bemerkte nicht, wie ihr Sohn den Wohnwagen verließ, sie schwebte durch ein Land, das hinter ihren geschlossenen Augen existierte. Ein Land, in dem sie jung und schön war. Ein Land, zu dem ihrem Mann der Zutritt verwehrt blieb.
Der alte Mann rückte das Kissen in seinem Rücken zurecht und quälte sich in eine sitzende Stellung.
Richard konnte sehen, dass die Schmerzen seinem Onkel stark zusetzten. Er stand auf und half ihm bei seinen Bemühungen. Die gütigen Augen sahen ihn traurig an. Nicht zum ersten Mal dachte Richard, dass Onkel Mathew dem Vulkanier Spock aus der Serie Raumschiff Enterprise immer ähnlicher wurde. Das gleiche schmale Gesicht, das kantige Kinn, die fast genauso spitzen Ohren, der nachdenkliche Blick, der alles und nichts bedeuten konnte.
„Danke“, flüsterte Mathew Stewart, als er eine erträgliche Position gefunden hatte. „Richard, komm setz dich zu mir aufs Bett. Ich will mit dir reden.“
Richard setzte sich. Seit sein Vater vor acht Jahren in einem Anfall von Depression, Selbstmord begangen hatte, war dieser Mann sein gesetzlicher Vormund. Er war der Bruder seiner Mutter, einer Mutter, die viel zu oft und viel zu viel trank, die dem Alkohol verfallen war.
Aber er hätte es schlimmer treffen können. Onkel Mathew besaß Geld, einen bescheidenen Reichtum, ein Umstand, den sich Richard zunutze machte. Der Alte war krank, schon immer krank gewesen. Es gab nur einen Pfleger und Richard, die sich um ihn kümmerten.
An welcher Krankheit er litt, verriet er nicht, auf jeden Fall war es nichts Ansteckendes und Richard somit gleichgültig. Er wusste nicht, was er für seinen Onkel empfand, und er erforschte seine Gefühle für ihn auch nicht. Onkel Mathew war da, er war krank und er besaß Geld. Drei Tatsachen, die so unabänderlich wie der tägliche Aufgang der Sonne waren.
„Richard.“
Er kannte den besorgten Ton, aber er beschloss, sich alles anzuhören, was der Alte ihm sagen würde. Heute Abend war eine Party angesagt. Richard sollte für die Getränke sorgen, aber er war pleite. Er musste seinen Onkel bei Laune halten, wenn er ihn nach Geld fragen wollte.
„Du bist jetzt fast sechzehn Jahre alt, meinst du nicht, es wird Zeit, dass du dir Gedanken über deine Zukunft machst?“
„Ja, Onkel Mathew“, entgegnete Richard ergeben und dachte an Susan Gready, blond, willig, fünfzehn Jahre alt. Bob Bessman behauptete, sie mache alles mit. Heute Abend würde er es bei ihr versuchen. Teufel, ich brauche das Geld! Ohne Geld keine Party, ohne Party keine Susan. Kein erster Fick!
„Was hast du nach der Highschool vor?“
„College?“, testete Richard, der ihn unbedingt bei Laune halten wollte.
„Ja. Natürlich.“
Mathew Stewart wurde ungeduldig. Er konnte
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