Dunkles Feuer
zitterte.
Tom Meyers war tot!
Vor wenigen Minuten war Steve voller Zuversicht in die Firma gekommen. Wie jeden Morgen hatte er mit Linda gescherzt, bevor er in sein Büro ging, die Beine auf den Tisch legte und die Washington Post durchblätterte.
Einige Artikel las er, aber das Meiste überblätterte Steve. Im Regionalteil der Zeitung hielt er jäh inne. Tom Meyers blickte ihn von einem Schwarz-Weiß Foto an. Ernst, mit kurz geschnittenen Haaren, sah er in die Kameralinse. Steve ahnte sofort, dass die Post eine Fotografie aus Toms Militärzeit verwendet hatte.
Die Buchstaben flirrten vor seinen Augen, als er die Bildunterschrift las.
Desert Storm Veteran bei Verkehrsunfall getötet.
Es gab nur wenige Informationen. Der größte Teil des kurzen Textes beschrieb Tom Meyers und erwähnte die Tatsache, dass er den Silver Star im Wüstenkrieg verliehen bekommen hatte. Der eigentliche Unfall wurde mit zwei Sätzen abgehandelt.
Tom war, den offiziellen Angaben zufolge, am Abend des 3.Mai, kurz hinter Baltimore auf einer Landstraße von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Als Unfallursache wurde überhöhte Geschwindigkeit angegeben.
Steve erhob sich aus seiner hockenden Position. Er ging zum Waschbecken, drehte den Kaltwasserhahn auf und spülte sich den Mund aus. Mit zu einer Mulde geformten Händen fing er Wasser auf und spritzte es sich ins Gesicht. Als er aus dem Handtuchspender ein Papiertuch nahm und sich abtrocknete, fiel sein Blick auf den Spiegel. Bleich, hohlwangig, mit unruhigen Augen sah sein Selbst ihn an.
Kann das wahr sein? schrie er sein Spiegelbild stumm an.
Er schloss die Augen. Mit den Händen abgestützt, die Lippen leicht geöffnet, stand er da und weinte hemmungslos.
Einige Minuten gab er sich still der Trauer hin, dann setzten seine Gedanken wieder ein.
Wie war Tom gestorben?
Die Zeitungen berichteten von einem Unfall. War das die Wahrheit?
Meyers hatte Gersham verfolgt. Die Fahrt war bis nach Baltimore gegangen und hatte von dort auf einsame Landstraßen geführt, soweit waren die Angaben der Post richtig, aber war es wirklich ein Unfall, oder hatte Tom sich zu weit vorgewagt?
Er wusste es nicht, und es gab nur eine Möglichkeit, mehr herauszufinden.
Steve wandte sich noch ein letztes Mal dem Spiegel zu. Er strich sich durch die Haare, dann ging er in sein Büro zurück. Er musste telefonieren.
John Chen saß am Terminal, aber er nahm nicht wahr, dass der Computer den Bildschirmschoner eingeschaltet hatte. Seit zehn Minuten schwebte das Firmenlogo von MedicSoft über den Monitor.
Vor ihm lag das Foto, das ihm Npei gegeben hatte und, das seine Mutter und seine Schwester zeigte, die einzigen noch lebenden Mitglieder seiner Familie. Sein Vater war letztes Jahr gestorben. Li Chen hatte nie wieder etwas von seiner Frau und seinem Kind gehört. Kein Lebenszeichen hatte ihn je erreicht. Selbst Harry ‘Wun’ Kwok konnte in all den Jahren nichts über ihr Schicksal in Erfahrung bringen.
Auf dem Bild standen Honghua und May-May dicht beieinander, so als wollten sie sich gegenseitig in einer Welt wärmen, die nur noch Kälte kannte.
John wusste nicht, was er tun sollte.
Dao Npei verlangte Prometheus , aber würde er sein Versprechen halten und dafür sorgen, dass seine Mutter und May-May freikamen? Konnte er dieses Versprechen überhaupt halten? War er mächtig genug?
John Chen hasste China. Er hasste es mit der ganzen Kraft seiner Seele. Nun sollte er China etwas geben, das den Herrschenden in diesem Land noch mehr Macht zuspielte.
Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass Prometheus zur Entwicklung von biologischen Kampfstoffen missbraucht werden würde. Ebenso wie Steve erkannte auch er die erschreckenden Möglichkeiten des Programms.
Was waren sie für Idioten gewesen. Vollkommen geblendet von der Chance, phantastische Impfstoffe entwickeln zu können, hatten sie die menschliche Natur unberücksichtigt gelassen. Nicht ein einziges Mal hatten sie innegehalten und über mögliche Konsequenzen nachgedacht.
Wie Kinder auf Schlittschuhen, die, fasziniert von der im Sonnenlicht funkelnde Eisfläche, nicht darüber nachdenken, wie dick oder dünn das Eis ist, auf dem sie sich bewegen, hatten sie sich zu weit hinausgewagt. Nun zeigte das Eis die ersten Risse, und sie mussten erkennen, dass es unter ihnen zusammenbrechen würde.
Sollte er Prometheus stehlen?
Es war Diebstahl. Er hatte seinen Teil zur Entstehung von Prometheus beigetragen, aber das Programm gehörte
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