Dunkles Feuer
erwähnt, dass ich mich beobachtet fühle. Spürst du das etwa auch, ist dir vielleicht schon etwas Merkwürdiges passiert?« Aufgeregt sah er sie an.
»Peter, Peter, das einzige, was ich spüre, ist, dass ich jetzt wirklich gerne einen Spaziergang machen würde. Ist dir eigentlich schon aufgefallen, wie schön die Gegend hier ist? Wir sind schon fast eine Woche hier und haben die Umgebung noch gar nicht richtig gesehen. Das einzige, was wir zu Gesicht bekommen haben, ist der Weg zum Dorfladen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es hier viel mehr zu sehen gibt. Also los. In zehn Minuten treffe ich dich unten, und wenn du nicht da bist, gehe ich eben allein. Wer weiß, vielleicht finde ich ja einen netten jungen Bauern, der nichts gegen einen kleinen Spaziergang hat und mir ein wenig die Gegend zeigt«, sagte Julie mit einem Zwinkern.
»Wie wär's mit einem netten jungen Dorflehrer, ich kenne einen, der bestimmt nichts dagegen hätte«, schlug Peter leicht verstimmt vor. Julie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und wandte sich zum Gehen. Peter fing sie am Arm.
»Julie, warte. Wenn etwas passieren würde, etwas Ungewöhnliches, meine ich, du würdest es mir doch sofort sagen, oder?«
»Wenn nicht dir, wem dann?« Julie blickte ihn kurz an und ging zur Tür.
Sie hatte Recht, aber warum hatte Peter dann bloß das Gefühl, sie wäre seiner Frage geschickt ausgewichen?
Ungeduldig ging Peter in der Eingangshalle auf und ab. Als Julie endlich erschien, sah er sie tadelnd an. »Das nennst du zehn Minuten?! Ich warte hier schon seit einer Viertelstunde auf dich. Bis du jetzt endlich fertig?«
»Ja gleich, nur noch einen Augenblick!«
»Für wen machst du dich eigentlich so schick, wir gehen doch nur kurz spazieren. Hier gibt es weit und breit nichts als die schöne Natur, die du unbedingt sehen wolltest. Oder willst du jetzt doch lieber ins Dorf?«
»Das ist ja nicht zu fassen, da mühe ich mich ab, damit du mich mal in etwas anderem als der total verschmutzten Arbeitskleidung zu Gesicht bekommst. Und das ist der Dank dafür. Du vergisst ja bald, dass ich auch wie eine Frau aussehen kann.«
Wie könnte ich das je vergessen, dachte Peter, wo sie auch noch in einem Sack wunderschön wäre, zumindest in seinen Augen.
Laut sagte er jedoch nur: »Und du bist sicher, dass du es nicht doch für Daniel machst, immerhin wohnt er hier in der Nähe.«
Julies giftiger Blick und die herausgestreckte Zunge zeigten ihm, dass er mit dieser Vermutung nicht ganz auf dem Holzweg war.
»Ich bin fertig, kommst du jetzt endlich?«
Leichtfüßig rannte Julie zur Tür hinaus.
Frederik beobachtete Julie, als sie zum Ausgang lief. Diese Frau erstaunte ihn, ihr gesamtes Verhalten war ihm ein Rätsel. Vielleicht, so überlegte er, lag das nur an der Zeit, in der sie lebte. Immerhin existierte er schon seit einer Ewigkeit eingesperrt in diesem Schloss, und seit seiner letzten Begegnung mit einem Menschen waren über siebzig Jahre vergangen, er hatte viel verpasst. Doch verwirrten ihn nicht so sehr die technischen Wunderwerke, die Julie oder Peter benutzten, wie z.B. die metallische Kutsche, die von sich selbst aus fuhr, er hatte so etwas schon vorher gesehen, auch wenn er es schon damals nicht verstanden hatte; oder der Kasten, mit dem Peter immer herumlief und Bilder von der Umgebung machte. Ihn interessierte vor allem Peters Verhältnis zu Julie, deren Diener oder Untergebener er zu sein schien, da sie ihn oft herumkommandierte und sagte, was er tun sollte. Aber andererseits schienen sie auch Freunde zu sein, und sie behandelte ihn wie einen Gleichgestellten. Außerdem spürte Frederik auch, dass zwischen den beiden mehr sein musste, als man nach außen hin sehen konnte.
Am meisten jedoch verwunderte ihn Julie selbst, die so völlig anders war als jede Frau, die er vorher gekannt hatte. Sie hatte schon längst das heiratsfähige Alter erreicht, schien jedoch völlig ungebunden und unabhängig zu sein, wie er mit Freude bemerkte, da es doch seinem Vorhaben sehr entgegen kam. Außerdem war sie äußerst intelligent und gebildet. Sie wusste mehr als jede Dame von Stand, die er jemals getroffen hatte, sogar mehr als Elisabeth, was ihm früher bei einer Frau unmöglich erschien. Es wunderte ihn umso mehr, dass Julie aus einer einfachen Familie stammte und für ihren Lebensunterhalt arbeiten musste.
Auch ihre Vielseitigkeit erstaunte ihn immer wieder. Manchmal war Julie höflich, ernst, konzentriert und dann auf einmal kokett, launisch und frech. Er
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