Dunkles Feuer
eine überwältigende Symbiose, die man nicht oft antrifft. Nun ja, diesem Künstler hier ist es gelungen.«
»Ich bitte Euch, es ist doch nur eine Landschaft«, warf Elisabeth ein.
»Wie könnt Ihr nur so etwas sagen? Ich war davon überzeugt, dass Ihr den Wert dieses Gemäldes durchaus zu schätzten wüsstet.«
Er sah Elisabeths kleines Lächeln, und auch sein Gesicht wurde freundlicher.
»Wie ich sehe, könnt Ihr meine Begeisterung durchaus nachvollziehen. Ich würde wirklich gern den Künstler kennen lernen, der es schafft, in eine scheinbar einfache Landschaft soviel emotionalen Ausdruck zu legen. Schaut doch nur, je länger man es betrachtet, desto deutlicher kommen die Kontraste hervor. Eine scheinbar paradiesische Landschaft, eine völlig heile Welt. Und dann dieser Himmel, diese Wolken, als ob ein gewaltiger Sturm aufziehen würde ...«
»Es ist ein Sturm, der, obwohl er für den Betrachter deutlich vorherzusehen ist, das Tal völlig unvorbereitet treffen und überrennen wird.«
»Ich wusste doch, dass Ihr das versteht. Aber schaut nur, so leicht ist dieses Tal nicht zu vernichten. Dieser winzige Sonnenstrahl, der fast zufällig platziert zu sein scheint, bringt dem Tal Hoffnung, seine Intensität, seine Leuchtkraft bildet einen scharfen Kontrast zu den Wolken. Meint Ihr, er könnte es schaffen, den Sturm aufzuhalten?«
»Er könnte als Warnung dienen oder als Hilfe. Auf jeden Fall wird er den Kampf unterstützen, doch der Ausgang ist ungewiss.«
»Ihr habt Recht, es ist wie die Darstellung eines ewigen Kampfes zwischen Glück und Verzweiflung. Ich frage mich, in was für einem Gemütszustand der Künstler gewesen sein muss, um dieses Bild zu erschaffen?«
»Vielleicht war er sich selbst nicht sicher, ob Glück oder Trauer, deshalb wurde der Ausgang offen gelassen.«
Frederiks Ton verlor etwas von seinem schwärmenden Ausdruck. Er lächelte leicht. »Ich frage mich oft, ob wir bei solchen Vermutungen nicht zu weit gehen, ob der Künstler wirklich all das darstellen wollte, was wir darin sehen, ob er wirklich das gefühlt hatte, was wir dabei empfinden?«
»Ihr könnt Euch sicher sein, das hat sie«, flüsterte Elisabeth leise.
Frederik sah Elisabeths aufgewühlte Züge und die unverhohlene Freude, die aus ihrem Gesicht sprach. Die Freude und der Stolz darüber, endlich verstanden worden zu sein.
»Ihr seid die Künstlerin?! Aber natürlich, die Initialen E.L., die hätten mir sofort ein Begriff sein müssen!« Er verneigte sich leicht. »Lady Elisabeth, es war mir ein großes Vergnügen, ich danke Euch.«
»Das Vergnügen lag ganz auf meiner Seite«, erwiderte Elisabeth die Formel, doch sie musste sich eingestehen, dass sie es dieses Mal ehrlich meinte.
Das Gespräch war beendet, und Elisabeth stand nun etwas unschlüssig herum. Sie wollte jetzt mehr denn je allein sein, um über das Gespräch nachzudenken. Aber sie wusste nicht, wie sie sich vom Earl höflich verabschieden sollte.
Er kam ihr entgegen, indem er sich unter dem Vorwand, er wolle ausreiten, verabschiedete.
In ihrem aufgewühlten Gemütszustand merkte Elisabeth nicht, dass der Earl es genauso eilig hatte, mit seinen Gedanken allein zu bleiben.
Seine gewohnte Überlegenheit und Selbstsicherheit hatten einen leichten Riss erhalten, den er vor ihr gern verbergen wollte. Er war auf das äußerste überrascht, hinter der reizenden Fassade von Elisabeth Lerouge einen weit schärferen und kreativeren Verstand zu finden, als er es ohnehin schon vermutet hatte. Eine Symbiose, die er wie gesagt ziemlich schätzte, nicht nur in der Kunst, und die er noch nie in solcher Ausprägung getroffen hatte. Er fühlte sich ihr nicht wirklich überlegen und erkannte, dass er auf keinen Fall mit ihr spielen konnte, ohne sich die Finger zu verbrennen. Er war verwirrt.
Elisabeth war verwirrt.
Sie hatte das Gefühl, als wäre soviel passiert, obwohl die Begegnung ziemlich flüchtig gewesen war. Sie war froh und stolz, dass jemand endlich ihr Werk verstanden hatte. Für alle anderen, sogar für ihren Vater, war dies einfach ein schönes Bild, das man gern irgendwo aufhängte, um es ab und zu zu bewundern. Ihr Vater war sehr stolz auf sie und zeigte den meisten Besuchern das Bild, das "seine Elisabeth" gemalt hatte. Sein Stolz enttäuschte Elisabeth jedoch nur, weil sie fühlte, dass er sie nicht verstand.
Langsam fragte sie sich, ob sie nicht zuviel darin sah und davon erwartete. Sie hatte natürlich viele andere Bilder gemalt, doch dieses war ihr Lieblingsstück, und
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