Dunkles Feuer
Gesicht trieb, war seine entwürdigende Überzeugung, dass er immer das bekam, was er begehrte. Er sah in ihr keine zerbrechliche Puppe mit Mitgift, die Mitgift war ihm völlig egal, da er sowieso nicht vorhatte, sie zu heiraten. Sein Interesse galt zwar ihr, aber nicht ihrem Intellekt, ihren Gefühlen, ihrem Selbst, sondern ihrem Körper und noch etwas anderem, was sie nicht verstand. Sie fühlte sich erniedrigt, beschmutzt und wütend. Sie rang um ihre Selbstbeherrschung. Diesmal hat der unwiderstehliche, berühmtberüchtigte Earl seine Rechnung ohne sie gemacht!
Nach einiger Zeit fing Elisabeth langsam an, sich in ihrem Zimmer eingesperrt zu fühlen. Sie schämte sich dafür, sich so fluchtartig dorthin zurückgezogen zu haben. Sie saß schon seit einer halben Stunde untätig herum, denn sogar das Buch, das sie sich zur Hand genommen hatte, um sich die Zeit zu vertreiben, vermochte nicht, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln.
Sehnsüchtig blickte sie in den vor ihren Fenstern liegenden Park. Die meisten Nachmittage verbrachte sie dort in der wohltuenden Kühle, ganz allein, nur in der angenehmen Gesellschaft eines interessanten Buches oder ihrer Gedanken. Ihr Lieblingsplatz war eine kleine gemütliche Gartenlaube, die ihr Vater für sie hat errichten lassen. Diese Laube war Elisabeths Zufluchtsort vor den Problemen der Welt. Dort ging sie hin, um sich nach einem Streit zu beruhigen, um die Lösung eines Problems zu finden, oder um mit ihren Gedanken ungestört zu sein. Alle ihre Sorgen vertraute sie den umstehenden alten Bäumen an, fast so, als ob sie sie verstehen konnten. Die Zwiesprache mit ihnen half ihr immer, zu sich selbst zu kommen und ihre Sorgen zu überwinden.
Auch jetzt wäre sie gern dorthin gegangen. Doch sie befürchtete, unterwegs diesen Earl zu treffen und so gezwungen zu sein, den Nachmittag in seiner Gesellschaft zu verbringen.
Sie schimpfte sich einen Feigling, schließlich war dies ihr Zuhause, und sie würde sich nicht freiwillig selbst in ihrem Zimmer einsperren, nur um der Möglichkeit einer unangenehmen Begegnung aus dem Weg zu gehen.
Entschieden stand sie auf und ging zur Tür. Sie redete sich ein, dass die Chancen ziemlich gut dafür standen, dass die Männer immer noch im Salon saßen, und im Park würde sie sie bestimmt nicht antreffen. Es ging also nur darum, unbemerkt aus dem Haus zu schleichen. Elisabeth öffnete vorsichtig die Tür und trat in den Flur.
Im ersten Augenblick konnte sie ihren Augen gar nicht trauen: Er stand doch wirklich da, nur wenige Meter von ihrer Tür entfernt. Elisabeth war empört. Hatte er etwa vor ihrer Tür gewartet, bis sie herauskam? Sie wollte ihn schon darauf ansprechen, doch da bemerkte sie ihren Irrtum.
Der Gast schien ihre Anwesenheit noch gar nicht bemerkt zu haben, seine Aufmerksamkeit war von einem der an den Wänden hängenden Gemälde völlig gefesselt. Als Elisabeth merkte, dass er sie noch nicht gesehen hatte, war sie versucht, in ihr Zimmer zurückzukehren. Doch das kam in ihren Augen einer wirklichen Flucht viel zu nahe. Vielleicht hatte sie ja Glück und konnte unbemerkt an ihm vorbei schleichen.
Leise zog sie die Tür hinter sich zu, die zu ihrem Leidwesen ein lautes Knarren von sich gab. Nur Elisabeths gute Erziehung bewahrte sie vor einem Fluch.
Das Resultat ließ nicht auf sich warten. Frederik schreckte aus seinen Gedanken und drehte sich zur Quelle des Geräusches um.
Elisabeth setzte schnell ein Lächeln auf. Er nickte ihr höflich zu und schien, ihren nächsten Zug abzuwarten. Da er scheinbar nicht vorhatte, ihr seine Gegenwart aufzudrängen, wollte Elisabeth gern einfach weitergehen. Doch es wäre von der Gastgeberin mehr als unhöflich, den Gast jetzt ganz allein auf dem Flur stehen zu lassen. Sie ging einige Schritte auf ihn zu.
»Was tut Ihr da?« Die Neugier in ihrer Stimme war nur zum Teil geheuchelt. Auch wenn der Satz etwas schroff klang, schien dies ihr Gegenüber nicht zu stören.
»Ich bewundere dieses Gemälde«, sagte er einfach.
Es ist doch nicht zu fassen, wie weit er geht, bloß, um mich zu beeindrucken, dachte Elisabeth. Aber andererseits konnte er es doch gar nicht wissen.
»Das Gemälde ist das bei weitem Interessanteste der Galerie, auch wenn ich zugeben muss, dass mir dieser Künstler völlig unbekannt ist.«
»Interessiert Ihr Euch für Kunst, Sir?«
»Oh ja, es ist meine Leidenschaft. Ich verehre die Schönheit, vor allem, wenn sie Sinn hat. Und in der Kunst finde ich beides vereint: Schönheit und Ausdruck,
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