Dunkles Feuer
es möglich war, ihr noch ein wenig mehr Angst einzujagen.
»Jo-oh«, wimmerte Lizzy.
Er riss seinen Ärmel aus ihrer Hand los. »Jetzt reiß dich zusammen, wir sind fast da!«
Frederik lächelte, der Tag konnte doch noch ganz unterhaltsam werden.
»Das muss es sein.« John lehnte seinen Körper gegen eine schwere Holztür. »Los, Lizzy, hilf mir doch.«
Die Tür gab ein protestierendes Quietschen von sich, belohnte jedoch die Bemühungen der Kinder, indem sie sich langsam aufschwang.
Neugierig betraten sie das Zimmer. Es war wunderschön.
Genau so sollte eine Schlossbibliothek aussehen: hohe Fenster, die genügend Licht spendeten, ein großer Kamin, sogar eine antike Ritterrüstung stand in der Ecke des Raumes, als wäre sie ein stiller Wächter, der keine Störung seiner Ruhe dulden würde.
Der Raum war perfekt bis auf ...
»Jo ...« Er wusste genau, was jetzt kommen würde. »Hier drin gibt es gar keine Bücher, Jo.«
»Das sehe ich auch«, zischte er. »Ich bin doch nicht blind!« Entgeistert schaute er sich um. Nach einer Weile jedoch hellte sich sein Gesicht langsam auf. »Oder ... vielleicht sind wir beide es doch.«
»Was meinst du?«
»Nur weil wir hier keine Bücher sehen, heißt es noch lange nicht, dass es sie hier nicht gibt. Wir müssen nur besser suchen!«
Frederik beobachtete, wie die beiden Kinder ausschwärmten. Er fand, dass dieser Junge ziemlich merkwürdig war. Es war zwar erfreulich, wenn ein junger Mann Interesse an Bildung und Büchern hatte, doch konnte man es Frederiks Ansicht nach auch übertreiben. Dieser Junge schien ja regelrecht besessen davon zu sein, dieses bestimmte Buch zu finden.
Was konnte bloß so wichtig sein?
Es handelte sich offensichtlich nicht bloß um einen Streich, wie er es bisher angenommen hatte. Was also wollte der Junge?
Plötzlich kam Frederik ein schrecklicher Verdacht.
Nein, wischte er ihn beiseite. Das konnte einfach nicht sein. Er konnte unmöglich davon wissen, dafür war er zu jung. Und doch suchte der Junge ausgerechnet hier.
Was war das noch mal für ein Name, den er genannt hatte, Onkel Wilfred? Nein, es war Walter.
Walter, dieser Name kam ihm merkwürdig bekannt vor. Walter, es muss etwas zu bedeuten haben, wenn er sich doch bloß erinnern könnte.
Doch andererseits, spielte es überhaupt eine Rolle? Selbst wenn der Junge von der Existenz dieses Buches gehört hatte, würde er es nie finden, dafür war es zu gut versteckt. Und in wenigen Stunden würde er dieses Schloss sowieso für immer verlassen.
»Jo, hör' doch auf damit, es gibt hier kein Buch. Warum ist es überhaupt so wichtig für dich?«
»Es würde beweisen, dass Onkel Walter gar nicht so verrückt ist, wie alle sagen.« John blickte von seiner Kamin-Inspektion auf, um ihr einen vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen. »Wir würden das Buch bestimmt früher finden, wenn du auch suchen würdest, anstatt diese alte Rüstung so verliebt anzuschauen und von alten Rittern zu träumen.«
»Ich gucke nicht verliebt«, gab Lizzy beleidigt zurück. »Und nach deinem blöden Buch suchen will ich auch nicht!«
»Ach, komm schon, Lizzy, ich hab's nicht so gemeint. Es ist bloß unsere einzige Chance, dieses Buch zu finden. Und ohne dich schaffe ich es niemals, den ganzen Raum zu durchsuchen. Also, kannst du mir bitte helfen?« Er wusste genau, wie er mit ihr umzugehen hatte.
»Ist ja gut. Wenn du darauf bestehst.« Sie schaute sich um. »Hast du schon bei den Regalen dort drüben geguckt?«
»Nein. Und danke, Lizzy.«
Langsam schritt Lizzy an der Wand entlang. Die Anstrengung stand ihr ins Gesicht geschrieben, während sie versuchte, durch scharfes Hingucken etwas zu entdecken, was augenscheinlich nicht da war. So funktionierte es aber nicht. Sie musste die Dinge schon genauer untersuchen. Sie war sich jedoch nicht sicher, ob sie etwas anfassen durfte. Schließlich hatten sie Julie versprochen, sich gut zu benehmen und nichts kaputt zu machen.
John schien diesbezüglich weniger Bedenken zu haben, aber er neigte ja auch nicht dazu, zerbrechliche Gegenstände fallen zu lassen.
Er hob alles hoch, was ihm unter die Hände kam, und untersuchte es genau von allen Seiten.
Gerade überprüfte er einen schweren Kaminleuchter. Es war etwas übertrieben, fand Lizzy. Es war doch ziemlich unwahrscheinlich, dass sich darin ein altes Buch befand.
Immerhin war sie von seinem Beispiel ermutigt worden, einige Gegenstände zu bewegen, wenn es ihr erforderlich schien, und zu hoffen, dass sie nichts Wertvolles fallen ließ.
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