Dunkles Feuer
Wahrscheinlich brauchten sie nur ein wenig Aufmerksamkeit, und da waren leichtgläubige Fremde ein gefundenes Fressen für die sich langweilende Bevölkerung.
»Sie wollen mir also nichts weiter sagen? Auch gut. Auf Wiedersehen.« Peter versuchte, das Gartentor zu schließen, doch Walter hielt dagegen.
»So verstehen Sie doch, ich kann Ihnen nichts Genaueres sagen.« Der alte Mann klang flehend.
»Ja, weil es nichts zu sagen gibt«, erwiderte Peter bestimmt.
»Nein, das ist nicht der Grund.« Der Alte sah ihm fest in die Augen. »Ich würde Sie damit in Gefahr bringen. Je weniger Sie wissen, desto sicherer sind Sie.«
»Aber obwohl Julie und ich rein gar nichts darüber wissen, sind wir in großer Gefahr?«
»Genau.«
»Was macht es dann für einen Unterschied?«
»Wie meinen Sie das?«
»Wenn wir sowieso in Gefahr sind, sollten wir doch wenigstens erfahren, wieso.« Warum diskutiere ich bloß mit ihm, dachte Peter frustriert.
»Noch können Sie sich retten. Wenn Sie sofort abreisen, wird Ihnen wahrscheinlich nichts passieren.«
Peter wusste einfach nicht mehr, ob er lachen oder doch lieber Angst haben sollte. Auf jeden Fall war dieser Zirkus bereits zu weit gegangen.
»Es ist Ihre Entscheidung, wenn Sie mir nichts sagen wollen. Aber belästigen Sie uns bitte nicht mehr.«
»Sie haben heute Daniels Haus besichtigt?«
»Was hat das denn damit zu tun?«
Walter schaute geheimnisvoll. »Mehr, als Sie sich vorstellen können. Ist Ihnen da etwas aufgefallen? Etwas in Verbindung mit Daniels Unfall?« Peter schluckte schwer. Da ging der Alte in die Offensive über. »Sie wissen ganz genau, dass es kein Unfall war!«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Nur soviel: Sehen Sie sich vor, damit es Ihnen nicht so ähnlich wie Daniel ergeht.«
Peters Gedanken rasten. Was wusste der Alte über den Unfall? Und vor allem: woher wusste er es? Für den Bruchteil einer Sekunde sah Peter den alten Walter als einen gewalttätigen Geisteskranken, der erst Daniel und dann ihn selbst bedrohte.
Nein, das war zu absurd.
Peter wagte es, das Gespräch noch einmal aufzugreifen. »Versetzen Sie sich doch mal in meine Lage. Für Sie mag das Bild ja einen Sinn ergeben. Ich bekomme jedoch immer nur einzelne Puzzleteilchen zu Gesicht. Wenn Sie mir keine konkreten Informationen liefern, bleibt mir nichts anderes übrig, als Ihre Äußerungen als Hirngespinste abzutun.« Zum wiederholten Mal zweifelte Peter an dem Sinn dieser Unterhaltung.
»Also gut.« Der Alte senkte die Stimme. »Wenn Sie mit mir ein Stück spazieren gehen, erzähle ich Ihnen, was damals vorgefallen war. Sie können dann selbst entscheiden, ob es sich bloß um Hirngespinste eines alten Mannes handelt.«
Peter wollte fragen, warum sie sich nicht an Ort und Stelle unterhalten konnten, doch dann seufzte er resigniert. Es hatte sowieso keinen Sinn, sich mit Walter zu streiten.
»Also gut, kommen Sie.«
Erleichtert wies Walter den Weg.
Schweigend gingen die beiden Männer nebeneinander, bis Peter es nicht mehr aushielt. »Sie wollten mir doch etwas erzählen. Zum Spazierengehen fehlt mir im Augenblick die Zeit.«
»Ja, ja, ich weiß. Ich habe mich in meinen Erinnerungen verloren. Sie haben ja keine Ahnung, wie schmerzhaft alles für mich damals gewesen war.« Seine Stimme zitterte. »Selbst jetzt, nach so vielen Jahren ...« Er brach ab und wischte sich eine Träne von der Wange.
Peter fühlte sich irgendwie schuldig, bei dem alten Mann schmerzhafte Erinnerungen hervorzurufen. Doch er wollte es trotzdem wissen.
Als hätte Walter seine Gedanken gehört, meinte er: »Es ist trotzdem wichtig, dass Sie es erfahren.« Er lächelte bitter. »Ich habe zu viele Jahre damit gelebt, vielleicht ist es ja ganz gut, mal darüber zu sprechen.
Es war 1935, ich war ein junger Mann, der dachte, die ganze Welt würde ihm offenstehen. Sie müssen wissen, zu der Zeit war das Schloss zwar schon lange nicht mehr wirklich bewohnt, aber es wurde doch noch in Ordnung gehalten. Dann, eines Tages, kam die Nachricht, dass der Schlossherr endlich unsere Gegend besuchen und einige Zeit im Schloss verbringen wollte. Die Alten, die sich noch daran erinnern konnten, wie das war, hegten die stumme Hoffnung, dass er vielleicht für immer bleiben würde. Es kam auch ein Mann, der Leute aus dem Dorf anwerben sollte, um das Schloss für den Grafen vorzubereiten. Das Ganze sollte einige Wochen dauern, es musste einiges ausgebessert, gestrichen und geputzt werden.
Unter den Frauen, die im Dorf angeworben wurden, befanden sich auch
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