Dunkles Feuer
meine Schwester Agnes und ihre Freundin, meine süße Mary. Mary war so zart und lieblich wie ein Engel, sie war mein Sonnenaufgang und mein Augenlicht. Ich hätte alles für sie getan. Es gab keinen glücklicheren Mann im Dorf als mich, denn dieses zauberhafte Mädchen sollte meine Frau werden. Wir hatten unser Leben so schön geplant. Die Welt schien so gut und die Zukunft so rosig, denn wir wussten, was auch immer passierte, wir würden es gemeinsam durchstehen.« Seine Stimme brach. Er merkte gar nicht die Tränen, die ungehindert die alten, faltigen Wangen hinunterliefen.
»Aber nicht nur mir, auch meiner Schwester blieb kein Leid erspart. Für welche Sünden auch immer, aber Gott hat uns in diesem verfluchten Jahr soviel büßen lassen, dass es für zwei Leben reichte.
Dabei schien alles erst so gut. Die Arbeit am Schloss lief, und alle alten Geschichten waren vergessen. Doch dann kam es Schlag auf Schlag. Zuerst traf es Agnes, meine Schwester. Ihr Freund Patrick, der als Malermeister die Decken im Schloss neu tünchte, erlebte einen Unfall. Tödlich und unerklärlich. Wenigstens hielten wir alle es damals für einen tragischen Unfall. Doch heute weiß ich es besser. Es war Mord.«
Er sah Peter fest in die Augen, so dass dieser eine Gänsehaut bekam.
»Skrupelloser, hinterhältiger Mord. Er war auf einem Gerüst, um die Decke in der großen Eingangshalle zu streichen, als er über seinen Eimer stolperte und das Gleichgewicht verlor. Aber jeder, der ihn kannte, wusste doch, dass er seinen Eimer niemals von dem dafür vorgesehen Haken nahm, weil die Gefahr, darüber zu stolpern zu groß war. Also musste jemand den Eimer in seinen Weg gestellt haben. Die Männer, die seinen Sturz beobachtet hatten, schworen darauf, dass es so aussah, als hätte ihn eine unsichtbare Hand hinunter gestoßen.
Meine fröhliche, lebenslustige Schwester war danach nie wieder die gleiche. Patricks Tod hatte ihr das Herz gebrochen. Nie wieder hatte sie einen Fuß in das verfluchte Schloss gesetzt.
Damit war ein hübsches Mädchen weniger im Schloss, und als Nächstes war meine Mary im Zentrum der Aufmerksamkeit.« Walter schluckte schwer, schien seine Kraft zu sammeln.
Peter nutzte die kleine Pause, um Walter zu fragen, wessen Aufmerksamkeit auf Mary gelenkt wurde.
»Das müssen Sie selbst entscheiden. Ich erzähle nur, was damals passiert war.
Oft hatte mir Mary in den folgenden Tagen von einer körperlosen Stimme erzählt, die sie im Schloss hörte. Doch ich Narr lachte nur darüber. Ich sagte, ihre Nerven wären durch Patricks Tod so zerrüttet. Und es stimmte auch, sie kümmerte sich hingebungsvoll um meine Schwester und nahm damit soviel Schmerz und Last auf ihre eigene Seele, dass es sie innerlich kaputt machte. Doch sie beharrte darauf, diese Stimme wirklich zu hören. Diese Stimme, die sie langsam so verwirrte, dass sie nicht länger zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden wusste. Und immer war diese Stimme da, mal flehend, mal sehnsüchtig, mal verführerisch und immer von einer tiefen Sinnlichkeit durchdrungen. Doch die unschuldige Seele meiner Mary reagierte nicht auf die sündhaften Versprechen, die die Stimme ihr machte. Manchmal sah sie auch einen schwarzen Mann, der sie rief und vor dem sie nicht einmal in ihren Träumen Ruhe finden konnte. Sie konnte nicht schlafen und ihm nicht entfliehen, denn ihr verwirrter Geist rief sogar zu Hause die gespenstischen Erinnerungen wach. Ich musste hilflos zusehen, wie die Liebe meines Lebens verfiel. Sogar vor mir hatte sie nun Angst, weil ich sie an den schwarzen Mann erinnerte. Und als sie es nicht mehr aushielt, da stürzte sie sich in den Bach, um die Stimme endlich zum Schweigen zu bringen.
Und so ging mein Engel von mir und nahm mir somit jeden Grund zum Leben. Jeder Atemzug, jeder Herzschlag ohne sie wurde zur unsagbaren Qual. Wie gern wäre ich ihr in ihr frühes Grab gefolgt. Doch meine Schwester brauchte mich. Nur meine Sorge um sie bewahrte sie davor, nach dem Geliebten nun auch den Bruder zu verlieren.«
Fassungslos starrte Peter Walter an. Aus den Augen des alten Mannes sprach ein so tiefer Schmerz, als wäre alles erst gestern passiert. Nun wurde Peter klar, welch tiefe und immer noch blutende Wunde er mit seinen Fragen aufgerissen hatte.
Er sah, wie Walters zusammengesackte Gestalt sich wieder ein wenig aufrichtete. Peter wollte etwas sagen, ihm irgendwie helfen. Doch der alte Mann hob Schweigen gebietend seine Hand und ging langsam davon, allein mit seinem
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