Dunkles Feuer
soll es mir dann in nur wenigen Wochen gelingen?« Frederik lächelte sie an. Plötzlich wurde ihm bewusst, wie sehr er sie mochte. Die Offenheit und Ehrlichkeit, ohne falsche Koketterie, und auch den freundschaftlich-spöttischen Ton ihrer Unterhaltung.
»Ich freue mich über Eure optimistische Einstellung, Earl. Wenn ihr wollt, begleitet mich doch in die Bibliothek.«
»Und was machen wir, wenn wir dort angekommen sind?«
»Lesen natürlich.« Elisabeth strahlte ihn an. »Endlich habe ich wieder Zeit zum Lesen.«
Doch vor der Bibliothek entschuldigte sie sich und versprach, bald wieder zu kommen. Etwas überrascht ging Frederik hinein und betrachtete die doch recht beeindruckende Sammlung des Grafen. Sie enthielt Abschriften einiger philosophischer und wissenschaftlicher Schriften aus der Antike sowie eine gute Anzahl modernerer Werke. Frederik fragte sich, ob Elisabeth wirklich einige davon gelesen hatte, besonders, da die meisten in Latein und griechisch verfasst waren. Lustlos nahm er einen Band zur Hand. Philosophie hatte ihn noch nie besonders interessiert, und er wusste nicht mehr, ob er nach seiner Schulzeit so ein Buch überhaupt in den Händen gehalten hatte. Er hoffte inständig, dass Elisabeth sich bloß einen Scherz mit ihm erlaubte.
Er schlug das Buch wieder zu. Gerade als er es zurücklegen wollte, trat Elisabeth durch die Tür. Hinter ihrem Rücken konnte er einen der Bediensteten sehen.
Elisabeth blieb auf der Schwelle stehen und nahm die Szene in sich auf. Es war auf den ersten Blick klar, dass das Buch Frederik nicht gerade in Entzücken versetzte.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr so schnell aufgibt, mein lieber Earl.«
»Ich muss zugeben, dass ich Eure Begeisterung für diesen Zeitvertreib nicht so ganz teilen kann.« Etwas hilflos blickte Frederik sich um. »Habt Ihr tatsächlich diese Bücher hier gelesen?« fragte er ungläubig.
»Wieso? Glaubt Ihr etwa, dass sie den Horizont einer Frau übersteigen?« Ihre Antwort fiel etwas schärfer als beabsichtigt aus.
Lachend hob Frederik die Hände, um ihren Zorn abzuwenden. »Nicht im Entferntesten. Aber sie übersteigen definitiv den meinen.«
»Wahrscheinlich habt Ihr Euch bloß noch nie näher damit befasst.«
»Für meinen Geschmack war es nah genug, als mein Hauslehrer versuchte, mir etwas davon einzutrichtern.«
»Seht Ihr, da liegt der Unterschied. Für Euch war es fast eine Strafe. Ich musste mir dieses Privileg hart erkämpfen. Es ist alles eine Frage der Motivation.«
Mit einem resignierten Blick aus dem Fenster auf den stetig tropfenden Regen meinte Frederik: »Nun, wie es aussieht, haben wir beide eine Menge Zeit, vielleicht könntet ihr mich ja in diese Welt einweihen.«
»Aber gewiss doch, gern. Ihr müsst wissen, ich habe bereits mehrmals festgestellt, dass es bei weitem nicht reicht, diese Schriften zu lesen, um sie zu verstehen und richtig würdigen zu können. Man muss sie auch mit jemandem diskutieren können. Und dazu hatte ich leider noch nicht viel Gelegenheit.«
Frederik überraschte sich dabei, dass er sich tatsächlich darauf freute, zu erfahren, was sie darüber dachte. Und noch mehr überraschte es ihn, dass es ihn nicht störte, dass sie womöglich gebildeter war als er. Elisabeth hatte sein Frauenbild ohnehin gehörig auf den Kopf gestellt, wieso nicht auch noch das.
Elisabeth ging zum Fenster und bedeutete dem Bediensteten, ihr zu folgen. Frederik sah, dass er ihre Staffelei und sonstige Malutensilien dort aufbaute, so dass sie das trübe Tageslicht ausnutzen konnte. Als sie Frederiks überraschten Blick sah, lächelte sie.
»Ihr habt doch nicht tatsächlich eine so schlechte Meinung von mir als Hausherrin, dass Ihr angenommen habt, ich würde Euch nun wochenlang mit Büchern quälen. So lehrreich sie auch sein mögen, auch ich kann mir durchaus angenehmere Tätigkeiten zum Zeitvertreib vorstellen.«
»Wie Eure Malerei, natürlich. Dann kann ich ja mal miterleben, wie diese Kunstwerke, die zu bewundern ich das Vergnügen hatte, entstehen.«
»Ihr seid zu großzügig, Sir.« Mit einem schelmischen Seitenblick fügte sie hinzu: »Oder versucht Ihr schon wieder, mir zu schmeicheln? Ihr scheint die Hoffnung nicht aufzugeben, doch noch meine Achilles-Ferse diesbezüglich zu finden.«
Frederik ging nicht auf ihre Bemerkung ein. Aber andererseits glaubte er auch nicht, dass sie eine Antwort erwartete. Sie genoss es sichtlich, ihn ab und zu ein wenig aufzuziehen. Wieder einmal wunderte er sich, wie ungezwungen und frei sie
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