Dunkles Geheimnis
Montag fünfzigtausend auftreiben?
Das ist unmöglich!
FREITAG
Manchmal merkt man an der Atmosphäre, dass etwas nicht stimmt. Das ist nichts Konkretes, nur etwas, das in der Luft schwebt.
Zuerst traf ich Jo am Fahrradständer, wie immer. Es war, als hätte es zwischen uns nie irgendwelche Probleme gegeben.
Ich hatte sie schon gestern angerufen und ihr erzählt, dass Ted mich im Auto mitgenommen und ich seine sehbehinderte Schwester getroffen hatte. Jo fand, mein Versprechen, Tea bei der Durchsicht ihrer Kleider zu helfen, sei total richtig gewesen.
Aber von den seltsamen Gefühlen, die ich gehabt hatte, als ich neben Ted saß, hatte ich nichts erzählt. Sogar für das, was eine beste Freundin wissen darf, gibt es Grenzen.
Es war ein warmer Morgen. Viele Schüler blieben so lange wie möglich draußen in der blassen Herbstsonne. Das laute Stimmengewirr, das vormittags die große Pause erfüllt, war noch nicht in Gang gekommen. Jetzt war eher ein müdes, gedämpftes Murmeln zu hören, vermischt mit einzelnem Gekicher.
Aber als Jo und ich uns näherten, verstummten alle. Manche stießen sich gegenseitig mit dem Ellbogen an, andere schielten verstohlen herüber.
Ich überprüfte hastig meine Klamotten.
Die Jeans?
Sauber und ohne Löcher.
Die Jacke?
Hatten Wuffs schmutzige Pfoten Flecken hinterlassen?
Oder hatte ich Joghurt am Kinn? Eigelb im Haar? Mascara an den Wangen?
Nein. Das hätte Jo mir gesagt. Dass eine Freundin sich blamiert, würde man niemals zulassen.
An und für sich hatte ich Hannamaria einmal mit einem langen Streifen Klopapier am Schuh vom Klo laufen lassen. Aber Hannamaria ist nicht meine Freundin.
Es musste etwas anderes sein.
Immer mehr Leute drehten sich um und starrten mich an.
„Was hast du getan?“, flüsterte Jo.
„Ich?“
Doch das war eine unnötige Frage. Wir wussten beide, dass es mir gelten musste. Jo ist zwar nicht so cool wie Hannamaria und ihre Clique, aber alle haben sie gern. Sie ist eine gute Schülerin und Klassenbeste in Englisch, was kein Wunder ist, da ihr Vater aus Louisiana kommt.
Ich dagegen gerate immer wieder in die unmöglichsten Situationen.
„Wer sonst?“
Dagegen anzumotzen, war mir jetzt zu anstrengend. Besser, ich fand die Ursache für dieses seltsame Geglotze heraus.
In Gedanken zählte ich mir schnell die Ereignisse der letzten Tage auf. Ich war in die Hallenhockeymannschaft gewählt worden. Der Ärger mit den ausgeschlossenen Jungs hatte angefangen. Die Gemeinheiten auf Facebook. Ich hatte mich über meine schlechte Zeit beim Laufen aufgeregt.
Lauter ätzende Sachen, aber nur für mich selbst. Meinen Mitschülern konnte das doch total egal sein.
Niemand sagte etwas, also gingen wir schließlich ins Klassenzimmer.
Ich hielt nach Alexander Ausschau, doch der war nirgends zu sehen.
„Wo ist Alex?“, fragte ich Ranjan.
Ranjan sitzt hinter mir und Jo. Er ist ein bisschen verknallt in Jo und hofft, dass irgendwas daraus wird. Im Frühjahr hat es kurz danach ausgesehen, doch dann ist Jo in die USA gefahren.
Er schüttelte den Kopf, machte aber ein komisches Gesicht, als er mich ansah.
„Was ist denn, Ranjan?“
Er schüttelte schnell den Kopf.
„Nichts.“
In der großen Pause tauchte Alexander auf. Jo und ich standen vor dem Schulhaus. Dort war es sonnig und windgeschützt und fast sommerlich warm.
Er kam mit großen Schritten zu uns her.
„Wo bist du …“
„Was treibst du eigentlich?“, unterbrach er mich.
Seine grünen Augen glühten.
Ich seufzte erschöpft. Nach diesem seltsamen Morgen hatte ich keine Lust auf weiteres Rätselraten.
„Ich warte darauf, zu erfahren, wo du gewesen bist“, sagte ich so ruhig wie möglich. „Und warum du so wütend bist.“
„Bis nachher.“
Jo verdrückte sich. Vermutlich hatte sie keine Lust, unserem Streit zuzuhören.
Ich wartete. Alexander musste mir sagen, was los war. Warum sollte ich mich schuldig fühlen, obwohl ich nicht einmal wusste, was ich falsch gemacht hatte?
„Willst du dich etwa einschleimen?“, stieß er zwischen zusammengepressten Lippen hervor.
Es gelang ihm, mein Selbstvertrauen leicht ins Wanken zu bringen.
„Einschleimen?“
„Ja!“
„Bei wem?“
„Bei Ted, natürlich.“
„Wieso natürlich?“
„Anton und noch ein paar haben gestern gesehen, wie du mit ihm im Auto weggefahren bist. Sie glauben, du würdest uns hinter unserem Rücken schlechtmachen.“
In mir flammte Wut hoch, aber ich versuchte ruhig zu bleiben.
„Hey, jetzt reicht’s mir
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