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Dunkles Indien

Dunkles Indien

Titel: Dunkles Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudygard Kipling
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Krater umherrasen ließ.) Gunga Daß schien einen teuflischen Genuß dabei zu empfinden, diese Tatsache immer wieder zu unterstreichen, als er gesehen hatte, wie ich zusammengezuckt war. Sosehr ich auch in ihn drang, mir zu sagen, wer denn eigentlich diese geheimnisvollen »sie« seien, die ihn und die andern hierhergebracht hätten und ständig bewachten, nichts konnte ihn bewegen, es mir zu verraten.
    »Es ist ihnen befohlen, so zu handeln«, antwortete er immer wieder, »und bis jetzt habe ich noch von keinem gehört, der dem Befehl nicht gehorcht hätte.«
    »Warte nur«, entgegnete ich ihm, »wenn man im Lager mein Verschwinden bemerkt, werden meine Diener kommen. Ich verspreche dir, daß dieser Ort vom Antlitz der Erde verschwinden wird. Übrigens, eine Unterrichtsstunde in höflichem Benehmen werde ich dir dann auch erteilen, mein Freund!«
    »Deine Diener würden in Stücke gerissen sein, längst bevor sie diesen Ort erreicht hätten! Aber abgesehen davon, sind Sie doch tot, mein Lieber! Freilich ist das nicht Ihre Schuld, aber tot und begraben sind Sie nichtsdestoweniger.«
    In unregelmäßigen Zeitabschnitten, sagte er mir, würden von der Landseite her Nahrungsmittel in den Krater herabgeworfen; die Bewohner des Amphitheaters kämpften dann darum wie wilde Tiere. Wenn einer seinen Tod herannahen fühle, zöge er sich in eine Höhle zurück und stürbe darin. Später zöge man den Leichnam wieder heraus und würfe ihn auf den Sand. Bisweilen aber ließe man ihn auch verfaulen, wo er gerade läge.
    Die Phrase »auf den Sand werfen« erweckte meine Aufmerksamkeit und ich fragte, ob dadurch nicht Pestilenz erzeugt würde.
    »Sie werden das später ja selbst beobachten können«, meinte er und bekam wieder einen seiner keuchenden Lachanfälle. »An Zeit zum Beobachten wird es Ihnen nicht fehlen.«
    Ich zuckte zu seiner großen Freude wieder zusammen; rasch, um den Eindruck zu verwischen, fuhr ich mit meinen Fragen fort: »Und wie lebt ihr eigentlich hier? Womit beschäftigt ihr euch?« Die Frage rief dieselbe Antwort hervor, nur mit dem Zusatz: »Dieser Ort ist wie euer europäisches Himmelreich; auch hier gibt es weder Heirat noch Hochzeitstag.«
    Gunga Daß war in einer Missionsschule erzogen worden. »Wäre ich«, so sagte er, »ein kluger Mann gewesen und hätte die Religion gewechselt, so wäre ich dem Lebendigbegrabensein an diesem Ort, der jetzt mein Los geworden ist, entgangen.« Solange ich mit ihm in dem Krater beisammen war, hatte ich trotzdem die Empfindung, daß er sich ganz glücklich fühlte.
    Er hatte in mir einen Sahib vor sich, einen Repräsentanten der herrschenden Rasse, hilflos wie ein Kind und in jeder Beziehung seiner Gnade und der seiner eingeborenen Gefährten ausgeliefert. In raffinierter und wohlüberlegter Weise pflegte er mich zu peinigen, wie etwa ein Schulknabe sich in einer freien halben Stunde an den Todesqualen eines aufgespießten Käfers weidet, oder ein Marder in einer verborgenen Höhle sich genußsüchtig an der Kehle eines Kaninchens festbeißt. Immer wieder kam er in seiner Rede auf die Betonung des Umstandes zurück, daß ein Entkommen unmöglich sei, und daß ich eben bis zu meinem Tode hierbleiben müsse, um schließlich »auf den Sand« geschmissen zu werden. Wäre es möglich, sich die Reden der Verdammten bei der Ankunft neuer Seelen im Abgrund der Hölle vorzustellen, so möchte ich sagen: sie müßten so sprechen, wie Gunga Daß zu mir sprach. Mir fehlte die Kraft, zu antworten oder dagegen Einwände zu erheben; ich mußte meine ganze Willenskraft aufbieten, um gegen das unbeschreibliche Entsetzen anzukämpfen, das mich wieder und wieder zu überwältigen drohte. Ich kann meinen Zustand nur mit dem würgenden Gefühl einer übermächtigen Seekrankheit vergleichen, die einen bei einer stürmischen Kanalüberfahrt befällt. Nur war meine Agonie geistiger Art und daher weit schrecklicher.
    Als der Tag vorgerückt war, erschienen die Bewohner des Kraters vollzählig, um die Nachmittagssonne zu genießen, die jetzt bereits in schrägen Strahlen in das Amphitheater herabschien. Sie standen in kleinen Gruppen beisammen und sprachen miteinander, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Es war meiner Schätzung nach etwa vier Uhr, da erschien Gunga Daß, tauchte einen Augenblick in seiner Höhle unter und kam gleich darauf wieder hervor mit einer lebenden Krähe auf der Faust. Der arme Vogel starrte vor Schmutz und war auch sonst in jämmerlichem Zustand, dennoch

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