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Dunkles Licht

Dunkles Licht

Titel: Dunkles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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Nischen in den Wänden von fast einem Meter Höhe erstreckten sich dahin, so weit Rollo sehen konnte, und er wusste, was auf diesen Regalen lag. In den alten Zeiten hatten die Albiurner ihre Toten begraben, und die große und uralte Stadt Weypool hatte sich weit und tief unter der Erde erstreckt. Der Lehrer hatte angeordnet, die Katakomben zu versiegeln, aber dieses Edikt hatte die Zeit offenbar nicht überdauert.
    Die Überreste in den Nischen waren größtenteils formlose Fetzen längst verrotteter Leichentücher und lagen auf Knochen wie trockene braune Stöcke, und nur die Schädel waren unter dem Staub von Jahrhunderten erkennbar. Hier und da erblickte er einen Bleisarg oder Überreste eines hölzernen Sargs, und hin und wieder war ein neuerer über den rechtmäßigen Besitzer gequetscht worden. Im Großen und Ganzen jedoch schliefen die Toten der Jahrhunderte ungestört, und Rollo verspürte keinerlei Missbilligung ihrerseits darüber, dass er hier eindrang.
    Er folgte dem Schreiner, wobei er sorgfältig darauf bedacht war, sich die lädierten Schultern nicht an den Wänden aufzuschlagen. Regelmäßig kreuzten andere Tunnel, aber Charles wusste genau, wohin er ging: an Felsstufen vorüber, die zu leeren Dächern hinaufführten oder in die Dunkelheit und tiefere Schichten abstiegen, an neueren Tunneln mit niedriger Decke vorüber, die durch den Fels gehauen waren und sämtliche Friedhöfe miteinander verbinden sollten. Decke und Seitenwände waren zumeist trocken, und der Boden gewöhnlich auch, aber wo er schlammig war, zeigte er Anzeichen von viel Verkehr. Bevor die Kirche des Lichts die Katakomben versiegelt hatte, hatten sie den Toten einen stillen Rückzugsort geboten; jetzt waren sie geheime Straßen für die Lebenden.
    Rollo überlegte kurz, wie die beiden weisen Frauen ihren Weg durch dieses Labyrinth gefunden hatten, und dann fiel ihm Ediths legendäre Fähigkeit ein, alles zu finden. Das würde auch für den Weg zurück dorthin gelten, wohin er jetzt gebracht wurde.
    Was wie nackter Fels aussah, erwies sich als gut verborgene Holzwand mit einer kreisrunden Tür, die sich in einen Braukeller öffnete. Von dessen Seite aus wirkte sie wie der Boden eines Fasses. Charles ging durch die beiden daran anschließenden Keller voran und öffnete dann eine weitere verborgene Tür in weitere Katakomben. Bis dahin hatte Rollo völlig die Orientierung verloren, war jedoch sicher, dass er sich Straßen entfernt von der Schreinerwerkstatt befinden musste.
    »Habt Ihr etwas davon angelegt?«, fragte Rollo, dessen Stimme von der Dunkelheit verschluckt wurde, denn der raue Stein erzeugte keine Echos.
    »Bloß ein paar Türen und Leitern. Der größte Teil ist tausend Jahre alt. Die tieferen Ebenen sind neuer, diejenigen, an denen noch gegraben wurde, als die Kinder den Götterkrieg verloren haben.«
    »Einer alten Überlieferung in meinem Elternhaus zufolge wurde die geheime Kapelle dort von einem Mann namens Maulwurf erbaut.«
    »Gibt’s auch in meiner Familie, Junker. Mein Urgroßvater hat damit angefangen, dass er eine spezielle Arbeit für den Junker von Woodbridge erledigte. Das war der Erste. Daraufhin hat ihn der Junker beauftragt, Verstecke für andere Gläubige zu errichten. Obwohl wir schon damals die Molesworths waren.«
    »Aber in Gaudry seid ihr auch als die Maulwürfe bekannt. Alle vermuten darin bloß einen Tarnnamen. Ihr seid dort sehr geehrt.« Die Familie Molesworth hatte Dutzende oder gar Hunderte Geheimverstecke für die Missionare der Mutter gebaut, kreuz und quer über Albi. Gewöhnlich sprach man von den Verstecken als den »Maulwurfsbauten«.
    Rollo hatte Sorge, dass an seinem Ziel eine weitere Leiter stünde und er wie ein Gepäckstück hochgezogen werden müsste, aber als vor ihnen ein Licht auftauchte, zeigte sich, dass der Gang an einer Treppe endete. Die Falltür an deren Ende war von beträchtlicher Größe und stand offen. Er musste also bloß hinaufsteigen. Er trat in einen unaufgeräumten Keller hinaus, und eine weitere Treppe brachte ihn in eine sehr gewöhnliche häusliche Küche von der Art, wie sie für eine Familie von fünf oder sechs Mitgliedern und einer ähnlichen Anzahl von Bediensteten sowie einigen Lehrlingen gedacht war.
    Im Raum war es heiß, weil das Feuer in dem Ziegelsteinherd loderte. Nell und Edith waren eifrig damit beschäftigt, Töpfe und Kessel mit Wasser in einen dampfenden Eichenzuber auszugießen. Die Molesworths waren schlimm genug gewesen; Rollo würde sich

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