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Dunkles Licht

Dunkles Licht

Titel: Dunkles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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hatte. Die Antworten variierten von verdrehten Augen bis hin zu eindringlichen Warnungen, sich von ihm fernzuhalten. Bestenfalls schlug er sich irgendwie durch, schlimmstenfalls steckte er tief in der Prostitution und im Handel mit weißen Sklaven. Er gehörte nicht zu diesen alternden, dekadenten Lebemännern, die sie sich als ihren ersten Gönner vorgestellt hatte, aber Teeny sagte, er sei der Beste, der gerade zu bekommen war, und welchen Nutzen hätte ein geistiger Führer, dem man nicht vertraute?
    Wie zuverlässig war das Urteilsvermögen einer Maus?
    Es war nicht leicht für ein unbedeutendes Zimmermädchen, ein privates Treffen mit dem Ehrenwerten Tristan zu arrangieren, und die Gäste würden am folgenden Tag allmählich abreisen. Maddy gab sich damit zufrieden, von einem Treppenabsatz aus mehrere Stunden vor seiner Tür Wache zu halten, bewaffnet mit einem Silbertablett, auf dem eine Tasse heiße, sehr bald sehr kalte Schokolade stand. Wenn Gäste oder andere Diener allein oder zu zweit vorbeikamen, lenkte sie diese einfach so ab, dass sie um sieherumgingen, ohne ihre Anwesenheit überhaupt wahrzunehmen. Wenn eine größere Gruppe auftauchte – eine Gruppe, die ihrer Einschätzung nach für ihr kleines Talent zu groß war –, gab sie vor, ihre Last abzuliefern, und kehrte dann auf ihren Posten zurück, wenn sie vorüber waren.
    Ihr Plan war einfach. Wenn der Ehrenwerte Tristan herauskam, würde sie versuchen, mit ihm zusammenzuprallen und die Schokolade über sich zu verschütten – nicht über ihn, weil sie nicht einen Mann wütend machen wollte, der offensichtlich sehr viel Wert auf seine Kleidung legte. Sie würde dankbar seine Hilfe annehmen, wenn er sie anbot, und sich von ihm auf sein Zimmer mitnehmen lassen, um das Schlimmste abzuwischen. Und dann, oder früher, wenn er keine Hilfe anbot, würde sie eine wilde Lust in ihm inspirieren und ihm den Tag versüßen. Nach seiner epochalen Vorstellung könnten sie über ein längerfristiges Verhältnis sprechen. Im Endeffekt würde sie ihm anbieten, seine Geliebte zu werden, und sich die Möglichkeit offenhalten, später auf der gesellschaftlichen Leiter emporzusteigen.
    Was würde ihre Mutter davon halten, oder was würde sie vorschlagen? Maddy wollte nicht daran denken. Ihr Vater, glaubte sie, hätte vielleicht knurrend zugestimmt. Sie konnte sie nicht nach ihrer Ansicht fragen, weil sie beide tot waren, und darum drehte sich das ja alles.
    Die Jäger waren vor dem Morgengrauen losgezogen. Die übrigen Gäste kamen einzeln oder zu zweit aus ihren jeweiligen Zimmern, viele von ihnen mit trüben Augen und gierig nach Stärkungsmitteln aus Flaschen. Maddy hatte beobachtet, dass der Ehrenwerte Tristan nicht so viel getrunken hatte, um jetzt einen Kater zu haben. Nach einigen Stunden fragte sie sich allmählich, ob er die ganze Nacht bei der Herzogin verbracht hatte und überhaupt nicht ins eigene Bett zurückgekehrt war. So sollten derartige Affären eigentlich nicht ablaufen, dachte sie, aber ihre Erfahrung beruhte lediglich auf Informationen aus zweiter Hand.
    Kurz bevor sie aufgeben wollte, schwang die Tür des Ehrenwerten Tristan auf. Maddy setzte sich in Bewegung. Im Idealfall erreichte sie ihn gerade in dem Moment, wenn er herauskäme, alsowürde der Zusammenstoß nicht allzu geplant aussehen. Sie eilte den Flur entlang und wurde langsamer, als sie die Schwelle und den Streifen Sonnenlicht auf dem Boden erreichte. Im Vorübergehen warf sie einen Blick ins Zimmer und sah ein unbenutztes Bett. Also hatte er nicht dort geschlafen? Warum hatte sich dann die Tür geöffnet?
    »Ich hoffe«, sagte eine Stimme hinter ihr, »dass du nicht die Absicht hattest, das auf mich zu schütten.«
    Entsetzt fuhr Maddy herum. Der Ehrenwerte Tristan nahm ihr geschickt das Tablett ab, bevor ein Unfall geschehen konnte. Er löste eine Hand und zeigte auf die offene Tür.
    »›Komm herein in mein Zimmer‹, sagte die Fliege zur Spinne.«
    Da ihr die Worte fehlten, trat Maddy ein. Der Ehrenwerte Tristan folgte ihr und schloss die Tür. Er setzte das Tablett auf dem Ankleidetisch ab und kam dann auf sie zu, bis er so nahe war, dass er auf sie herabblicken konnte. Er war größer, als sie gedacht hatte, und brachte einen Duft nach Veilchen mit sich. Heute trug er Kleidung aus Seide, gelb wie eine Butterblume, maßgeschneidert, und jedes Härchen seiner glänzenden kastanienbraunen Mähne saß genau an seinem Platz.
    »Wie heißt du?«
    Sie hatte eine Antwort parat.

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