Dunkles Universum 1 - Aguirre, A: Dunkles Universum 1 - Sirantha Jax 1. Grimspace
die Farbe von Schoklaste, und sie strahlt eine Gelassenheit aus, wie ich es noch nie bei jemandem gesehen habe. Ich mochte sie sofort. Die ergrauenden Locken trägt sie offen, sie könnte fünfzig sein oder vielleicht auch schon hundert, wobei ihre glatte Haut Letzteres eher unwahrscheinlich erscheinen lässt.
Im Verlauf jeder Nacht sehen wir einen ständigen Strom von kostümierten Tänzerinnen, die nur kurz ihre Kinder knuddeln wollen und dann wieder verschwinden, woraufhin die Kleinen meistens hemmungslos zu heulen anfangen. Trotzdem finde ich es sehr nett von Domina, diese Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen, auch wenn sie den Tänzerinnen, die diesen Service in Anspruch nehmen, dafür einen kleinen Betrag von ihrem Gehalt abzieht. Scheint mir nur angemessen, denn warum sollte sie uns ausschließlich aus der eigenen Tasche bezahlen.
Im Umgang mit den Babys fühle ich mich noch nicht ganz sicher, auch wenn meine Zeit mit Baby-Z ironischerweise eine gewisse Vorbereitung auf diese neue Aufgabe war. Adele lässt sich sogar zu dem Kommentar hinreißen: »Man sieht, dass du einige Erfahrung hast. Was ist eigentlich mit deinem Kleinen passiert?«
»Er ist gestorben.« Wieder spüre ich diese erdrückende Schuld.
Wenn die wüssten, was passiert ist, würden sie mich hier nicht arbeiten lassen.
Adele akzeptiert meine Antwort mit einem Kopfschütteln und fragt nicht weiter. Erbrochenes muss aufgewischt werden, Mattin zieht der kleinen Lleela wieder an den Haaren, es sind Sanktionen zu verhängen und Tränen zu trocknen. Wir sind ständig beschäftigt, bis sie endlich einer nach dem anderen einschlafen. Es ist mein fünfter Arbeitstag, und ich komme jedes Mal todmüde nach Hause, aber es ist ein gutes Gefühl. Befriedigend, ein gutes Leben, wenn nicht sogar ein erfülltes. Es ist wie Buße tun. Ich bin nicht ohne Grund hier gelandet. Durch Baby-Z habe ich Schuld auf mich geladen, und hier kann ich sie sühnen, so gut es eben geht. Es ist zwar nicht das, was ich mir ausgesucht hätte, hätte ich die große Wahl gehabt, aber andererseits weiß ich nicht mal, was ich mir dann ausgesucht hätte. Das Wichtigste ist, dass ich das alles selbst erreicht habe.
Vormittags gehe ich gern shoppen. Also stehe ich auf und laufe als Erstes rüber zum Markt. Manchmal sehe ich mir dort die hauchdünnen Schleier und den Bauchschmuck an, dann am nächsten Stand die geschnitzten Totems und geweihten Kirpans für die Leute, die an Talismane glauben und Schutz vor bösen Geistern suchen. Versonnen betrachte ich Töpferarbeiten und Gemälde. Irgendwie habe ich nie ein Zuhause gehabt, das ich mit solchen Gegenständen hätte einrichten können. Im Haus meiner Eltern hatte ich zwar ein eigenes Zimmer, aber sie haben mir verboten, es zu verändern, haben mir nie erlaubt, es zu meinem zu machen.
Als ich mich umdrehe, um wieder nach Hause zu gehen, hält mich eine alte Frau am Arm fest. »Dein Schatten bereitet dir Probleme«, sagt sie.
Ich rechne mit einer dieser nervigen Wahrsagerinnen, die mir Karten legt, aus ihren Runen liest oder in eine Schale schaut, um mir aus aufgeweichten Kräutern die Zukunft vorherzusagen. Stattdessen sehe ich eine in Schwarz gekleidete Frau, vielleicht eine Köchin oder eine Haushälterin, und ihr Rücken ist krumm und das Gesicht verwittert.
»Mit meinem Schatten ist alles in Ordnung«, entgegne ich mit einem Stirnrunzeln.
»Ist es nicht«, widerspricht die Fremde. »Er hat dich verlassen und träumt einen anderen Traum. Du schiebst weg, was dich stört, bis dein Schatten dich eines Tages nicht mehr erkennen wird. Ich weiß nicht, wie du ohne ihn bewältigen willst, was dir bevorsteht. Es sind so viele Geister hinter dir, so viele Geister …« Sie schüttelt seufzend den Kopf. »Ich werde beim Schrein der Heiligen Maria eine Kerze für dich anzünden.«
Dann lässt sie meinen Arm los, und ich warte darauf, dass sie mir einen kleinen Betrag für ihren Segen und ihre Weisheit abknöpft, aber sie wirft sich nur ihren schwarzen Schal um und eilt weiter, als hätte sie sich schon zu lange mit mir aufgehalten.
Ich verlasse den Markt und gehe tief beunruhigt nach Hause. Adele hat mir ein Zimmer in ihrem Haus vermietet. »Dachstube« ist wohl das beste Wort dafür. War früher ein Lagerraum, bis jemand auf die Idee kam, zwei der Außenwände durch eine Konstruktion aus Glastique-Waben zu ersetzen. Adele hat mir erzählt, dass der Raum anschließend ein Künstleratelier war und noch nie jemand dort gewohnt hat,
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