Dunkles Universum 1 - Aguirre, A: Dunkles Universum 1 - Sirantha Jax 1. Grimspace
ich ihn verletzt habe. Vielleicht hat er die Sache persönlich genommen, wie einen Verrat, und das tut mir weh. Aber auch dagegen kann ich nichts tun, denn es ändert nichts an meiner Entscheidung. Ich will leben und nicht mich opfern.
Als der Kellner an meinen Tisch kommt, sieht er aus wie ein Kind, das Angst hat, geohrfeigt zu werden. Also ringe ich mir ein Lächeln ab, bevor ich die Rechnung begleiche. Dann lese ich meine Tasche auf und verlasse hoch erhobenen Hauptes das Restaurant. Es ist an der Zeit, das alles hinter mir zu lassen. Ich muss Arbeit finden und eine Wohnung. Dies ist mein neues Leben, genau so, wie ich es wollte, und wenn dieser Schmerz in meiner Brust nicht weggehen will, dann schiebe ich ihn eben beiseite. Mein Überlebenstrick. Ich habe die alte Jax genommen und sie weggesperrt. Es ist an der Zeit für die nächste Inkarnation von Sirantha Jax, auch wenn ich im Moment nicht einmal selbst weiß, was für ein Mensch sie sein wird, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen soll oder wen sie lieben wird.
Meine Zukunft liegt im Nebel, verhüllt wie die Sonne von Gehenna, und vielleicht soll es genau so sein.
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Haben Sie je Kinder beobachtet, wenn sie gerade laufen lernen?
Ich bis letzte Woche auch nicht, aber ich muss sagen, es liegt eine gewisse Schönheit darin. Na ja, wenn nicht Schönheit, dann zumindest Beharrlichkeit. Neunmal hinfallen und zehnmal aufstehen. Und beim zehnten Mal schaffen sie es, sie lassen sich einfach nicht mehr aufhalten, von keinem Hindernis und auch nicht von Leuten, die ihnen befehlen wollen, stehen zu bleiben. Sie hören auf nichts als ihre innere Stimme, bis sie dort sind, wo sie hinwollten.
Wann verlieren wir das? Zugegebenermaßen muss auch diese innere Stimme mit der Zeit dazulernen, immerhin gibt sie uns zu Anfang auch ein, das zu essen, was aus unserer Nase kommt, und dass es lustig wäre, andere zu beißen. Aber ich glaube, sie sagt in vielen Belangen auch die Wahrheit, und sie ist etwas, das wir nicht verlieren sollten. Das habe ich diese Woche gelernt, bei meiner Arbeit mit Kindern, die noch nicht mal im Vorschulalter sind und gerade die Grundbegriffe der Zivilisation eingetrichtert bekommen. Eben erst dem Babyalter entwachsen, lernen diese winzigen Menschlein gerade das Laufen.
Schon seltsam, wie ich an diesen Job gekommen bin. Ich ging ins Heimliche Reue in der Erwartung, dort als Tänzerin zu arbeiten. Ein Hardcore-Fetisch-Club, soweit ich wusste, wo ich mit meinen Narben sicherlich ankommen würde, aber die Besitzerin sah mich nur kurz an und sagte: »Du bist zu alt, zu flach, und deine Narben sind nichts Besonderes. Was kannst du sonst noch?«
Mir fiel wieder ein, wie Marsch mich verspottet hatte, und um ein Haar hätte ich gesagt: »Rein gar nichts.« Stattdessen tat ich das, was ich am besten kann, und dachte mir eine schöne kleine Geschichte aus, und wegen der sitze ich nun hier und passe auf die Babys der Tänzerinnen auf. Das Heimliche Reue ist ein guter Arbeitsplatz. Domina, die Besitzerin, kümmert sich um ihre Mädchen, außerdem sieht sie aus, als hätte sie selbst getanzt, als sie noch jung war. Sie ist tätowiert, hat jede Menge Fetisch-Narben und wahrscheinlich auch Piercings an Stellen, von denen ich gar nichts wissen will. Es heißt ja, eine bewegte Lebensgeschichte hinterlässt Spuren im Gesicht, und wenn das zutrifft, muss ihre Geschichte der absolute Hammer sein. Sie war es auch, die mir verraten hat, dass Saphir eine bei Stripperinnen und Freudenmädchen beliebte Kosmetiklinie ist.
Die Frauen hier bleiben immer zusammen, weil die Stammklientel doch ein bisschen krasser ist als in normalen Bars, Typen, die sich wünschen, sie hätten den Tänzerinnen die Narben beigebracht. Das andere Ende des Spektrums bilden scheue, kleine Devote, die sich die Tänzerinnen als ihre persönlichen Schmerzensgöttinnen vorstellen. Manchmal verirren sich auch noch andere hierher, hauptsächlich Fremdwesen, die anscheinend nicht wissen, dass dieser Club nicht das übliche menschliche Unterhaltungsprogramm bietet.
Aber ich bin nicht draußen auf der Bühne, also habe ich nur sehr wenig Kontakt mit dem Publikum. Stattdessen verbringe ich meine Abende mit dem Versuch, widerspenstige Krabbelkinder bei Laune zu halten, die nur zu ihrer Mama wollen, grundlos drauflosheulen und sich genau dann übergeben, wenn man es am allerwenigsten gebrauchen kann. Ich wurde angestellt, um einer Frau namens Adele zur Hand zu gehen. Sie ist klein und rund, ihre Haut hat
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