Durch die Hintertür
platzen. Offenbar hatte sie ein sehr dringliches Anliegen. Wir hörten, wie die Tür geöffnet wurde.
»Mr. Morgan? Mr. Mitchell? Sind Sie im Badezimmer?«
Wir wagten kaum zu atmen. Mrs. Ramage ging durchs Zimmer und klopfte an die Tür vom Bad.
»Meine Herren, sind Sie hier drin? Ich bin’s, Mrs. – oh, mein Gott!«
Dann rannten ihre schweren Schritte weg vom (natürlich leeren) Badezimmer zurück in den Gang. Wir hörten sie davon stapfen, auch wenn wir unmöglich sagen konnten, in welche Richtung. Sie wusste ganz genau, wohin wir verschwunden waren, konnte uns aber nicht verfolgen, weil sie a) viel zu fett war, um durch das Türchen zu passen, und b) dieses Türchen nicht von ihrer Seite aus öffnen konnte.
Ich zündete ein Streichholz an. Der Geheimgang dehnte sich nach beiden Seiten viele Meter weit aus – anscheinend über die ganze Länge des Hauses. Er war ungefähr einen Meter zwanzig hoch, und die Decke neigte sich zur Außenwand hin. Dieser Hohlraum war ganz eindeutig so gebaut worden, dass er von außen keinerlei Verdacht erregen würde. Vielleicht ein Überbleibsel aus dem Bürgerkrieg? Ein Fluchtweg für aufständische Katholiken? Ich hatte von solchen Dingen gehört. Welchem Zweck der Gang auch ursprünglich dienen mochte, nun war er ein perfektes Hilfsmittel für unerlaubte sexuelle Beziehungen zwischen Familie und Dienstboten.
Das Zündholz erlosch, und nachdem unsere Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannten wir in jeder Richtung die Umrisse der anderen Türen entlang des Gangs. Auf diese Weise also kam Hibbert an die Hunt-Fotze ran – und, was entscheidender war, auf diese Weise konnte Charlie Meeks an zwei Orten gleichzeitig auftauchen. Ein paar Meter weiter befand sich die Tür, die zu Leonard Eagles Gemächern führte. Und in der anderen Richtung …
»Komm schon, Mitch«, flüsterte Morgan. »Wir müssen kriechen.«
Ich machte keine Einwände, da ich so seinen Hintern direkt vor meiner Nase hatte. Als er einmal abrupt anhielt, wurde mein ganzes Gesicht zwischen seinen Backen begraben – ein sehr angenehmes Gefühl.
Ich konnte in der Finsternis gerade so erkennen, wie er eine Hand hob. In der Nähe waren Stimmen zu hören.
»Es tut mir leid, Sir, aber es war mir nicht möglich, sie aufzuhalten.«
»Um Gottes willen, Ramage, was habe ich Ihnen gesagt?« Es war Sir James, und er war äußerst wütend.
»Was erwarten Sie denn von mir? Diese ganze Situation ist lächerlich, und das wissen Sie auch.«
Ich konnte kaum glauben, dass Mrs. Ramage auf diese Weise mit ihrem Dienstherrn sprach.
»Und jetzt haben Sie dank Ihnen einen Weg gefunden … großer Gott.«
Auf der Wand neben unseren Köpfen hörten wir einen mächtigen Aufprall – anscheinend attackierte Sir James die Tür, die von seinem Arbeitszimmer auf den Geheimgang führte. Morgan handelte rasch; halb kauernd, halb kriechend lief er lautlos den Gang entlang. Ich folgte ihm, so gut ich konnte, aber alle fünf Schritte stieß ich an die Wand und gab so deutliche Hinweise auf unseren Fortschritt. Vom anderen Ende des Gangs hörte ich eine Glocke läuten – jemand rief Unterstützung herbei, unsere Flucht würde schon bald ein Ende haben.
Morgan blieb nach ein paar Metern stehen und murmelte etwas vor sich hin. »Fünf, sechs, sieben, da sind du und ich, Whopper, Sir James … dann müssten wir jetzt über der Garage und in den Dienstbotenquartieren sein. Hallo, was ist das denn?«
Da war eine Tür, die anders aussah als die anderen – diese hier hatte normale Größe.
»Ich frage mich, was …«
Hinter uns waren Geräusche zu hören; jemand war aus Sir James’ Zimmer in den Geheimgang gekommen.
»Schnell, Mitch«, sagte Morgan und nahm den Türknauf in die Hand. »Hier lang.« Die Tür öffnete sich lautlos, und wir schlossen sie so leise, wie wir nur konnten. Wir befanden uns offenbar in einer Rumpelkammer über der Garage. An der Wand befand sich ein Lichtschalter, doch damit hätten wir nur unsere Position verraten. Morgan drückte sich gegen die Tür – ich dankte dem Himmel für seine starken Ruderermuskeln! –, während ich nach einem Fluchtweg suchte.
Schwaches Licht drang durch ein schmutziges und überwachsenes Dachfenster. Ich erkannte, dass es sich hier mitnichten um einen Abstellraum handelte – dieser seltsame kleine Raum unter dem Dach war eine fotografische Dunkelkammer mit Entwicklerschalen, Flaschen voller Chemikalien und einem nicht mehr vollständigen, alten Vergrößerungsgerät
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