Durch Himmel und Hoelle
einem Stein, von dem aus sie aufsteigen konnte.
»Wir können uns auf dem Weg zurück zur Straße unterhalten«, schlug Louisa vor, als sie Seite an Seite losgaloppierten. »Dort muß ich dann in die entgegengesetzte Richtung. Ich kann nicht glauben, daß Ihr tatsächlich dieses Pferd reitet«, sagte sie bewundernd. »Ich würde vor Angst sterben, wenn ich ihn nur anfassen müßte. Das ist doch das Pferd, das niemand aufsteigen läßt, und Ihr reitet es so ein- fach und auch noch ohne einen Diener, der Euch begleitet. Mein Diener wartet an der Straße, mein ständiger Schatten, aber ich fühle mich dadurch sicherer. Und Ihr reitet allein und dann noch auf die- sem wilden Pferd.« Sie erschauderte kurz.
Elysia lachte zum ersten Mal seit Jahren wirklich wieder von Herzen vergnügt. »Anscheinend schaffe ich mir selbst einen ziem- lich verwegenen Ruf. Ich muß plötzlich feststellen, daß man mir Zauberkräfte nachsagt, weil ich dieses Pferd reite, das angeblich nicht zu reiten ist. Die schlichte Wahrheit ist, daß ich dieses Pferd aufgezogen und trainiert habe, bis ich gezwungen war, es zu ver- kaufen. Wie Ihr seht, bin ich nur eine ganz gewöhnliche Sterbliche ohne magische Kräfte.«
»Nun, das ist wirklich eine Erleichterung, ich war überzeugt, Ihr seid eine Hexe«, scherzte Louisa. »Aber Ihr reitet so gut, und ich kann die kleine Dove kaum halten, wenn sie frech wird, so daß ich mich direkt schäme, neben Euch zu reiten«, lobte sie Elysia und tät- schelte liebevoll Doves glänzenden Hals.
»Ihr reitet sehr gut, wenn man bedenkt, wie zierlich Ihr seid. Es wäre wirklich leichtsinnig und gefährlich, Euch auf ein so großes, unberechenbares Pferd zu setzen«, sagte Elysia. Sie beobachtete, wie die kleinen, fast kindlichen Hände in die Zügel griffen: »Neben Euch fühle ich mich ja wie eine muskulöse Amazone - mit Speer und Schild in der Hand, um jeden Angriff abzuwehren.«
Louisa kicherte und warf Elysia einen ungläubigen Blick zu. »Aber das kann doch nicht wahr sein, Ihr seid so schön. Ich hätte zu gern so rotgoldenes Haar wie Ihr. Es ist so eine wunderbare Farbe im Vergleich zu meinen schlichten braunen Locken«, seufzte sie. »Papa nennt mich eine kleine Maus, und ich fürchte, er hat gar nicht so unrecht damit, denn mir fehlt es in erschreckendem Maß an Mut und Kraft.«
»Das hört sich ja an, als solltet Ihr Schmied oder Müller werden«, sagte Elysia lachend. »Ihr seid nur zart und klein, und ich beneide Euch. Sollen wir tauschen?«
»Du meine Güte, nein! Ich könnte nie und nimmer die Frau des Marquis sein. Ich habe schreckliche Angst vor ihm«, gestand sie, und ihre Augen wurden ganz rund. Dann hielt sie sich beschämt den Mund zu. »O je, was werdet Ihr nur von mir denken, wenn ich sol- che Sachen über Euren Mann sage? Ihr seid nur so nett, daß ich ganz vergessen habe, daß Ihr eine Marquise seid.«
»Ich denke mir, daß Ihr absolut ehrlich seid und auch guten Grund für Eure Angst habt. Der Marquis kann manchmal wirklich ekelhaft sein«, erwiderte Elysia sachlich.
Louisa war voller Bewunderung. »Ich bin so froh, daß ich Euch begegnet bin. Ihr seid ja so nett und ganz anders, als ich Euch mir
vorgestellt habe. Ich dachte, Ihr wärt versnobt und herablassend wie diese Damen aus London, die gelegentlich nach Blackmore auf Besuch kommen. Ich komme mir dann immer so linkisch vor, als wäre ich noch ein Schulmädchen«, sagte sie erbost.
»Von mir braucht Ihr das nicht zu befürchten, ich war nie eine feine Londoner Dame. Ich ziehe das einfache Landleben vor«, sagte Elysia im Brustton der Überzeugung, obwohl Westerley ja nicht gerade als schlicht zu bezeichnen war.
»Heißt das, daß Ihr viel Zeit hier verbringen werdet?« fragte Louisa aufgeregt. »Ich hoffe, daß Ihr das tut. Ich bin immer so ein- sam. Hier gibt es niemanden, mit dem man reden kann, und Papa und Mama sind oft in London. Da ich noch zu jung für meine Ball- saison bin, muß ich hierbleiben und meine Studien zu Ende bringen. Ich habe mir so oft eine Freundin gewünscht — ich hoffe, Ihr werd et meine Freundin, Lady Trevegne.«
»Bitte, wir sollten uns duzen. Mein Name ist Elysia. Ich habe mich auch nach einer Freundin gesehnt, mit der ich reden kann.« Elysia warf einen Blick auf Louisas grazile Gestalt und lachte. »Ich brauche eine starke Schulter, an die ich mich gelegentlich lehnen kann.«
Louisa lachte begeistert. »Das ist wirklich wunderbar. Ich glaube, wir beiden werden ganz dicke Freunde. Du bist so
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