Durch Mark und Bein: 4. Fall mit Tempe Brennan
Augen glitzerten. Er zwinkerte, lehnte sich zurück und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht.
»Willst du, dass ich mitkomme?«
»Was ist mit deinem Zoff mit Tyrell?«
Ich erzählte ihm von dem Zahnfragment, hielt den Rest aber noch zurück.
»Wie lange dauert die Analyse?«
»Vier oder fünf Tage. Es gibt also keinen Grund, warum ich hier bleiben müsste. Willst du, dass ich mitkomme?«
Er sah mich an, und an seinen Mundwinkeln bildeten sich Fältchen.
»Ich habe das Gefühl, du kommst sowieso mit.«
Da Ryan wusste, dass er die nächsten Tage mit der Organisation des Transports von Bertrands Sarg und mit Besprechungen mit McMahon in der FBI-Zentrale zubringen würde, hatte er sich ein Zimmer im Adams Park Hotel am Stadtrand gebucht. Vielleicht hatte er auch andere Gründe. Ich fragte ihn nicht.
Am Tag darauf recherchierte ich die Namen auf der H&F-Liste und erfuhr dabei nur eins: Außerhalb meines eigenen Labors waren meine ermittlerischen Fähigkeiten beschränkt.
Ermutigt von meinem Erfolg in Bryson City, brachte ich einen Vormittag in der Bibliothek mit alten Ausgaben des Charlotte Observer zu. Obwohl nur ein mittelmäßiger Politiker, war Staatssenator Pat Veckhoff ein vorbildlicher Bürger gewesen. Ansonsten fand ich nichts.
Das Internet lieferte mir ein paar Hinweise auf das Werk von Kendall Rollins, dem Dichter, den Mrs. Veckhoff erwähnt hatte. Das war alles. Davis. Payne. Birkby. Warren. Es waren ziemlich gebräuchliche Namen, die mich nur in Labyrinthe nutzloser Informationen führten. Die Telefonbücher von Charlotte listeten dutzende von ihnen auf.
An diesem Abend lud ich Ryan zum Abendessen in den Selwyn Pub ein. Er wirkte zurückgezogen und gedankenverloren. Ich bedrängte ihn nicht.
Am Sonntagnachmittag brachte ich Birdie zu Pete, und Ryan und ich flogen nach Montreal. Jean Bertrands Überreste reisten unter uns in einem glänzenden Metallsarg.
Am Dorval Airport erwarteten uns ein Leichenbestatter mit zwei Gehilfen und vier uniformierte Beamte der Sûreté du Québec. Gemeinsam begleiteten wir die Leiche in die Stadt.
Der Oktober kann in Montreal großartig sein, wenn Kirchtürme und Wolkenkratzer an einen frischen, blauen Himmel stoßen und der Berg in leuchtenden Farben brennt. Er kann aber auch grau und freudlos sein, mit Regen, Graupel oder sogar Schnee.
An diesem Sonntag flirtete die Temperatur mit dem Gefrierpunkt, und dunkle, schwere Wolken hingen über der Stadt. Die Bäume waren kahl und schwarz, Gärten und Parks mit Reif überzogen. Mit Säcken verhüllte Büsche standen Wache vor Wohnhäusern und Geschäften, florale Mumien, die man gegen die Kälte eingewickelt hatte.
Es war nach sieben, als wir Bertrand beim Begräbnisinstitut Urgel Bourgie in St. Lambert ablieferten. Danach trennten sich unsere Wege, er wurde zu seiner Eigentumswohnung im Habitat gebracht, ich zu meiner in Centre-ville.
Bei meiner Ankunft warf ich meine Reisetasche aufs Bett, schaltete die Heizung ein, kontrollierte den Anrufbeantworter und dann den Kühlschrank. Ersterer war voll, das Signallämpchen blinkte wie verrückt. Letzterer war leer, nur grelle weiße Wände und verschmierte Glaseinsätze.
LaManche. Isabelle. Vier Telefonverkäufer. Ein Student der McGill. LaManche.
Ich holte mir eine Jacke und Handschuhe aus dem Schrank im Gang und ging zu Le Faubourg, um Lebensmittel einzukaufen.
Als ich zurückkehrte, war es in der Wohnung warm geworden. Ich entzündete trotzdem ein Feuer im Kamin, mehr wegen der tröstenden Stimmung als der Wärme. Ich fühlte mich so niedergeschlagen wie selten, noch immer verfolgte mich das Gespenst von Ryans mysteriöser Danielle, und Bertrands bevorstehendes Begräbnis machte mich traurig.
Während ich mir Kammmuscheln und grüne Bohnen briet, klatschten erste Graupelkörner gegen die Fenster. Ich aß vor dem Kamin und dachte dabei an den Mann, dem ich in wenigen Tagen die letzte Ehre geben würde.
Im Lauf der Jahre hatten der Detective und ich öfters zusammengearbeitet, immer dann, wenn Mordopfer unsere Pfade sich kreuzen ließen, und ich hatte dabei über den Mann einiges erfahren. Völlig unfähig zu jeder Unaufrichtigkeit, hatte er die Welt in Schwarz und Weiß unterteilt gesehen, mit den Polizisten auf der einen Seite der moralischen Grenze, den Verbrechern auf der anderen. Er hatte Vertrauen in das System gehabt und nie daran gezweifelt, dass es die Guten von den Bösen trennen konnte.
Nach dem Abendessen räumte ich die Spülmaschine ein, legte
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