Durst - Roman
Wieder begann es im Innern des Kunststoffgehäuses zu knistern.
Nach einer Weile erschien ein Fenster, worin weitere Symbole enthalten waren. Ich öffnete jenes mit der Bezeichnung «Laufwerk». Dann klickte ich auf «Programme» – eine Ansammlung kleiner beschrifteter Kästchen. Sie trugen Bezeichnungen wie «sim city 3», «pac man», «solitaire», «doom» oder «wolfenstein 3d» – Computerspiele. Ich schloss das Fenster wieder und öffnete das Symbol «Dokumente». Ich ging auf eines mit der Bezeichnung «Srspka-Travelling» – lieblos gestaltete Prospektvorlagen, die Busreisen nach Pale oder Banja Luka anboten. Die anderen Dokumente enthielten irgendwelche Rechentabellen oder waren überhaupt leer. Ich schloss auch dieses Fenster und suchte weiter, klickte Symbole an und überzeugte mich davon, dass der «Papierkorb» leer war. Nach zwanzig Minuten sah ich zu Adnan hinüber.
«Nichts», sagte ich und sah ihn fragend an.
Er zuckte die Schultern.
Ich blickte auf seinen Bildschirm: Adnan war gerade dabei, als anatomisch völlig missratenes Wichtelmännchen durch geometrische Landschaften zu hüpfen und sich dabei irgendwelche bunten Gegenstände einzuverleiben.
«Auch nichts …», murmelte er.
Ich stand auf und rauchte eine Zigarette an. Mehr zu mir selbst sagte ich: «Sieht ganz danach aus, als wäre die gesamte Buchhaltung gelöscht worden.»
Ich begann die Schreibtischschubladen durchzusehen. In der ersten befand sich ein Stapel leerer A 4-Blätter und einige Kugelschreiber, Briefmarken und Couverts in verschiedenen Grössen. Die anderen Schubladen waren, bis auf ein Pornoheftli und eine angebrochene Marlboro-Packung, leer wie eine protestantische Kirche. Ich legte das Heft und die Zigaretten zur aussortierten Post.
Dann durchwühlte ich den Abfalleimer – ohne Ergebnis. Schliesslich warf ich einen Blick in den Toilettenraum, der sich hinter der Tür befand. Auch da nichts. Jede Spur, dass hier gearbeitet und geraucht wurde, war verwischt. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass dies Slavkovi ć s Büro war, ich hätte es für das Gamezimmer irgendwelcher gut situierten Gymnasiasten gehalten.
«Was sagst du dazu?»
«Mmh …»
«Würdest du bitte mit dem kindischen Gamen aufhören!»
Adnan sah mich gelangweilt an. «Was ist?»
«Hier ist nicht die geringste Spur von Slavkovi ć s Transaktionen zu finden.»
«Was hast du denn gedacht? Die Staatsanwaltschaft hat doch längst alles gesichert. Vielleicht ist ihnen Slavkovi ć oder ein Mitarbeiter zuvorgekommen.»
Ich überlegte. «Wenn man Daten auf dem Computer löscht, gibt es dann keine Möglichkeit, diesen Vorgang rückgängig zu machen?»
«Nein.»
«Das heisst, die gelöschten Informationen haben sich sozusagen in Luft aufgelöst, es gibt nirgends mehr eine Spur davon?»
«Doch, auf der Festplatte. Theoretisch zumindest.»
«Theoretisch …» Ich schnippte die Asche in den Papierkorb.
«Das heisst, auf der Festplatte müssten noch irgendwelche Daten vorhanden sein?»
«Vielleicht.»
«Und die könnte man dann abrufen?»
«Wenn du gut genug ausgerüstet bist …»
«Kannst du die Festplatte entfernen?»
«Jetzt?»
«Ja, bitte.»
«Dazu muss ich das Gehäuse öffnen …»
«Dann öffne es!» Ich reichte ihm mein Taschenmesser.
Adnan stöhnte, fuhr den Computer herunter und verlangte nach einer Zigarette. Ich gab ihm Feuer.
Ich sah ihm zu, wie er auf der Hinterseite des Rechners sechs Schrauben löste und dann das Gehäuse öffnete. Das rätselhafte Innenleben aus grünen, mit Lötstellen überzogenen Plättchen und verschlungenen Kabelstrassen kam zum Vorschein. Adnans Finger griffen zielstrebig nach einem rechteckigen Aluminiumkästchen, das er leicht anhob, um es von zwei Kabeln abzulösen. Dann reichte er es mir.
«Da hast du die Festplatte.»
Ich wog das Ding skeptisch in den Händen und legte es zusammen mit den anderen Sachen in die Ledermappe.
Weder Adnan noch ich hatten das Gehen der Tür bemerkt. Auf einmal waren wir der Mündung einer Pistole und – am anderen Ende – einem entschlossen dreinschauenden Balkantypen gegenübergestellt. Die Waffe sah, soweit ich das beurteilen konnte, echt aus.
«Was mache hier!»
Ich stützte mich mit der rechten Hand andeutungsweise auf den Tischrand und wies auf Adnan: «Mörgeli» – und mich: «Schwarzenbach, Kriminalpolizei. Sie tun gut daran, die Waffe unverzüglich einzustecken.»
Ich hatte gehofft, diese Namen würden ihm instinktiv Angst einjagen, aber der Kerl liess
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