Durst - Roman
Statur zu verleihen – die Anzüge mit Schaumstoff ausgestopft.
«Eine Sicherheitsmassnahme …», versuchte ich ihm in Erinnerung zu rufen.
«Wir sehen aus wie verkleidete Amateurdetektive.»
Wir standen vor den Spiegeln in der Toilette des Casinos und begutachteten das Ergebnis unserer Verwandlung.
«Wir sehen aus wie zwei ganz normale, übergewichtige Schweizer um die Vierzig. Und nun lass uns die Probe aufs Exempel machen.»
Wir stiegen die Stufen ins Parterre hinauf und setzten uns an den Tisch, wo wir zuvor Kaffee getrunken hatten. Der Kellner räumte das Geschirr weg, steckte das Münz ein und fragte nach unseren Wünschen.
«Siehst du, er hat uns nicht wiedererkannt.»
Adnan zuckte die Schultern und blickte nach draussen.
Ich wusste seine Kooperation zu schätzen. Statt in der Badi seinen durchtrainierten Körper auszuführen und mit hübschen Badenixen anzubändeln, machte er diese schweisstreibende Maskerade mit.
Ich bezahlte die Stangen und bat den Kellner, der ebenfalls unter der Hitze litt, uns ein Taxi zu bestellen.
«In zehn Minuten», sagte er, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte.
Im Taxi war es angenehm kühl. Der Fahrer, ein immerzu grinsender Türke, erklärte sein Gefährt zum besten Ort, wo man sich bei der Hitze aufhalten könne.
Wir drängelten durch den Nachmittagsverkehr aus der Innenstadt und näherten uns über den Sedel dem Seetalplatz, gelangten zur Emmenweidstrasse und dort durch die rechteckige Passage im Häuserblock, zu dem auch das «Sportcentar» gehörte, zur Merkurstrasse.
Vor den einfachen Wohnhäusern spielten ausländische Kinder; wir fuhren langsam zwischen den Hinterausgängen der Gerliswilstrasse und den Ausläufern des Industrieareals hindurch. Kurz bevor die Strasse im rechten Winkel abzweigte, bat ich den Fahrer zu halten. Ich bezahlte und trug ihm auf, uns in einer Stunde wieder abzuholen.
Die Hitze erfasste uns wie eine heranrollende Wand. Ich steckte mir eine Zigarette an und sah mich um. Ausser den Velo fahrenden Kindern und einem Mann, der Kartonschachteln in einen Abfallcontainer verstaute, war niemand zu sehen.
Slavkovi ć s Geschäft, ein Raum hinter einer Glastür und einem länglichen Schaufenster mit kyrillischem Schriftzug, befand sich im Parterre. Ein Zettel war von innen an die Tür geklebt. Auch hier – kyrillische Schriftzeichen.
«Wegen Todesfall geschlossen», übersetzte Adnan.
Ich nahm aus meiner Ledermappe den Schlüssel, den mir Frau Slavkovi ć gegeben hatte, und steckte ihn ins Schloss. Drinnen abgestandene Luft, Dämmerlicht und deutlich kühler. Ich betätigte den Lichtschalter. Adnan ging auf dem blauen Spannteppich in den Raum hinein und liess sich in einen Bürostuhl fallen.
«Und nun?» Er hatte beide Beine von sich gestreckt und die Arme verschränkt.
Ich sah mich um. An der entgegengesetzten Wand eine Nische mit Lavabo, Kaffeemaschine und Abstellfläche. Daneben eine Tür, an der eine Dartscheibe hing. Im Zentrum des Zimmers ein doppelter Schreibtisch, zwei Computer, Telefon, Drucker, Faxgerät, Scanner, ein Stapel Briefumschläge. An der linken Wand ein Regal auf Brusthöhe, darauf schmutzige Espresso-Tassen, Faltprospekte und ein Wasserglas. Gegenüber ein Erotikkalender, wie man ihn sonst in Räumen antraf, wo keine Frauen verkehrten. Weit und breit kein Aschenbecher.
«Wir haben eine Stunde Zeit, um den ganzen Raum zu durchstöbern.»
Adnan schien nicht sonderlich begeistert.
«Und wonach suchen wir?»
Ich klopfte den gekrümmten Aschenstift in meine linke Handinnenfläche.
«Hab ich dir bereits im Casino gesagt. Hinweise auf Personen, die bei Slavkovi ć Geld überwiesen haben – Personenlisten, Belege für Transaktionen und Ähnliches.»
Ich ging um den Tisch herum und schaltete die Computer ein. Während sie sich mit einem orchestralen Akkord ans Aufstarten machten, sah ich die Couverts durch. Strom-, Wasser- und Telefonrechnungen, einige mit Briefköpfen von der Gemeinde und dem Kanton drauf, eine Ansichtskarte mit einem Gruss in englischer Sprache und einer unmöglich zu entziffernden Unterschrift. Ich legte einiges davon heraus und ging die Kippe unter dem Wasserhahn löschen.
Inzwischen hatte sich auch Adnan hinter den Schreibtisch gerollt und starrte auf den flimmernden Bildschirm. Die Maschinen knisterten noch eine Zeit lang, bis sie uns den Desktop präsentierten. Ein gutes Dutzend Symbole scharte sich am linken Rand des Bildschirms. Ich klickte jenes an, das mit «Arbeitsplatz» beschriftet war.
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