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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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gibts Dringendes?»
    «Faruk will dich sehen.»
    «Faruk? – Dein Dealer?»
    «Schon wieder vergessen? Ihr scheint ja dicke Freunde geworden zu sein.»
    «Warum Freunde. Wir haben uns unterhalten. Nicht mal so ein übler Kerl.»
    «Das kannst du sehen, wie du willst … Jedenfalls, ich soll dir ausrichten, er müsse dich dringend sprechen. Was habt ihr bloss miteinander?»
    «Wir haben uns über Gott und die Welt – und Slavkovi ć unterhalten.»
    «Mmh … Jedenfalls, er hat gesagt, dass er dich morgen Abend Punkt elf Uhr vor dem Fitnesscenter erwartet.»
    «Das Fitnesscenter im Panoramapark?»
    «Genau. Gemütliches Plätzchen für ein Rendez-vous … Und wenn wir schon dabei sind: Kannst ja ein gutes Wort für mich einlegen.»
    Ich erstickte die Glut zwischen den Kippen im Aschenbecher.
    «Du hast doch nicht etwa Schulden?!»
    «Schulden – was für ein grässliches Wort.»
    «Was dann?»
    «Sagen wir – Darlehen, das trifft es wohl am besten. Faruk versorgt mich zwischendurch gegen Anzahlung. Er weiss von meinem Vater und schätzt mich als kreditwürdig ein. Der Junge hat Geschäftssinn, das muss man ihm lassen.»
    Silvan hechelte ein heiseres Lachen.
    «Gehts dir gut? Ich meine, wenn du nicht gerade high bist?»
    Pause.
    «Ach, unser Moralist. Unser wacker streitender Proletarier, immer auf dem Sprung, die Welt zu retten. Weisst du, ich mag dich, ich find dich sympathisch – Leute wie dich müsste es mehr geben! Wirklich! Nur kann ich leider deinen Glauben nicht teilen. Die Welt ist verkommen und wird von psychopathischen Zynikern regiert. Um das zu ertragen, hast du deinen Glauben an das Gute – und ich meine Medizin. Jedem das Seine, würd ich sagen.»
    Wieder dieses katarrhartige Lachen.
    «Silvan, lass uns ein andermal darüber sprechen … Wann hast du gesagt, will Faruk mich treffen?»
    «Dreiundzwanzig Uhr, morgen Nacht, schon wieder …»
    «Danke. Danke! – Silvan, wirf dein Leben nicht weg. Du würdest den Zynikern nur einen Gefallen tun … Aber darüber sprechen wir bei Gelegenheit, in Ordnung?»
    «Okay. Kannst dich wieder mal melden, ich meine – einfach so.»
    «Mach ich, versprochen.»
    Der Panoramapark, der wie ein Riegel zwischen dem höher gelegenen Sonnenplatz und dem Gemeindezentrum Gersag lag, war so etwas wie ein Geisterbaukomplex, ein fünfgeschossiges, weitgehend leerstehendes Shoppingcenter, ein verrufenes Stück Bausubstanz aus weisskaschiertem Beton, bordeauxrotem Blech und etwas Glas, zusammengehalten von verborgenen Stahlträgern und einem gigantischen Geflecht aus Armierungseisen. Am Tag trotzten einige unbeugsame Detaillisten und Dienstleistungsbetriebe der zivilisatorischen Einöde, nachts war einzig das «Panorama», ein spanisches Restaurant, belebt und beliebt seiner guten Küche wegen, das sinnbildlich dem Gebäude entronnen war, vorgelagert gegen den Sonnenplatz hin durch den nachträglich angebauten Wintergarten. Dann aber kam nur noch Abstieg, finsterer, ungewisser Fall über steile Betonplattentreppen, von unzähligen latenten Nischen wegegelagert, von der Eisenbahn tangiert, in Hörweite der Strasse, die einen weiten Bogen um das Gebäude machte; und unten an der Rüeggisingerstrasse, gegenüber dem schokoladenfarbenen Büroturm der Gemeindeverwaltung, das Billardcenter und die Tiefgarage.
    Ich ging durch den spärlich beleuchteten Korridor und blieb vor dem Eingang des Fitnesscenters stehen. Der Nachklang des Elf-Uhr-Geläutes drang bis hierher. Ich rauchte und horchte auf die Geräusche der Nacht.
    Plötzlich löste sich aus einer dunklen Nische eine Gestalt: Faruk im schwarzen Ledermantel.
    «Wollte sichergehen, dass du allein gekommen bist.»
    Er reichte mir seine Pranke zum Gruss. Dann blickte er sich um und sagte: «Lass uns ein wenig die Füsse vertreten.»
    Wir gingen auf die Passerelle zu, die den Panoramapark mit dem Gersagareal verband.
    «Bist du immer noch an der Sache mit Slavkovi ć interessiert?»
    Ich nickte.
    «Gut. Du bist ja so was wie ein Journalist … Bist du auch an der Wahrheit interessiert?»
    Er betrachtete mich aus seiner erhöhten Warte – Faruk überragte mich um einen ganzen Kopf.
    «Wahrheit … Ein grosses Wort. Was willst du mir mitteilen?»
    Er warf einen prüfenden Blick zurück.
    «Zwei Dinge: Erstens, der geständige Mann ist nicht der Mörder.»
    Er machte eine Pause, in Erwartung einer Reaktion.
    «Und zweitens?»
    «Möchtest du nicht wissen, warum?»
    «Später. Der zweite Punkt?»
    «Ich weiss um den missglückten

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