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Durst: Thriller (German Edition)

Durst: Thriller (German Edition)

Titel: Durst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Riva
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im Bus sitzen, nachdem sie in einer Kaschemme eine Teigtasche gegessen haben, ohne solche Menschen würden wir doch gar nicht existieren. Auch du nicht. Das siehst du doch genauso, nicht wahr? «
    » Ja, Doktor. «
    » Also? Hast du eine Idee, an wie viele Mucchettis wir geraten, wenn wir jetzt in die Avenida Paulista hinuntergehen und wahllos Leute rauspicken? «
    Edith wurde jetzt mutiger. » Aber wir fänden doch auch Reginas, oder? «
    » Nein « , antwortete Bruno, der sich allmählich entspannte. Und wenn er sich entspannte, war er mit seinem stolzen Gesicht, den hellen Augen und der geraden Nase gleich viel schöner. Selbst Edith würde das zugeben. » Absolut nicht. Hunderte von Jahren des Leidens braucht es, um eine Regina hervorzubringen. Lass uns auf die Straße gehen, jetzt sofort, und Stellen wie die von Regina und Stellen wie die von Mucchetti anbieten, dann wirst du schon sehen. «
    Die Sekretärin konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen. » Das mag für die Avenida Paulista gelten, aber wenn wir in eine Favela in Santana gehen, eine Stunde mit der U-Bahn von hier, dann finden wir sicher Reginas im Überfluss und kaum einen Mucchetti. «
    » Das stimmt möglicherweise. Wenn wir aber beschließen, aus dem Nichts eine Regina oder einen Mucchetti zu schaffen, werden wir immer mehr Leute finden, die lieber Mucchettis Arbeit machen möchten, selbst in deiner Favela in Santana. Man müsste den Reginas vierundzwanzigtausend Reais geben und den Mucchettis sechshundert, das wäre interessant. Was glaubst du, würde dann passieren? Würde Mucchetti deiner Meinung nach für sechshundert Reais morgens um fünf aufstehen? « Er machte eine Pause. » Leider können wir das aber nicht ausprobieren. «
    Edith schwieg unbehaglich. Es war fast Mittag. Wahrscheinlich stand Mucchetti bereits vor ihrem Schreibtisch und wartete darauf, empfangen zu werden.
    » Jetzt geh ihn begrüßen. Sag ihm, ich sei zum Zehnerrat abberufen worden und könne ihn nicht empfangen. Nächste Woche gibt es eine Generalversammlung, das kannst du ihm mitteilen. Entschuldige dich höflich und jag ihn zum Teufel. Okay? «
    » Ja, Doktor. «
    » Und wenn das erledigt ist, hast du dann Lust, japanisch essen zu gehen? «
    » Ja, Doktor. «
    » Dann reserviere für eins bei Kinoshita. «
    » Noch etwas, Doktor. Haben Sie Ihren Vater angerufen? «
    Er musterte sie mit einer Eindringlichkeit, die ihr Angst einjagte.
    » Ich weiß, Edith. Heute Abend bin ich bei ihm. Er wird neunundfünfzig. Ich weiß. «
    » Klar. Ein Geschenk haben Sie aber vermutlich nicht gekauft, oder? «
    » Das könntest du übernehmen, wärst du so lieb? «
    » Natürlich, Doktor. «
    » Oder nein, lass uns beim Essen darüber reden. Worüber sollen wir sonst reden? «
    Zu solchen Gelegenheiten verzichtete Elisabetta Johannsen auf das, was ihr Ehemann die › Regie ‹ nannte. Obwohl sie fast das gesamte Jahr auf der Insel Ilhabela wohnte, zeugte auch das Domizil in São Paulo– ein drei Hektar großes Anwesen im grünen Bezirk Morumbi– von ihrem unverwechselbaren Stil: vorwiegend in Weißtönen gehalten, Sichtmauerwerk, Holz und Glas. Anmutig öffnete sich eine fünfbogige Pergola zum Garten hin, und provenzalische Muster tauchten die Zimmer in pastellige Lavendeltöne. Alle elf Zimmer, um genau zu sein. In der Küche konnte man einen Sattelschlepper mit zwei Anhängern parken. Das L-förmige Wohnzimmer war hell und einladend. Ein Mosaik von kostbaren Teppichen überzog den Boden, und im Steinkamin an der Rückwand könnte Michael Jordan bequem aufrecht stehen.
    São Paulo fand Elisabetta allerdings abstoßend.
    Elisabetta, die als zweitgeborene Tochter eines drögen Erdölingenieurs ihr halbes Leben lang auf Reisen gewesen war, mochte São Paulo nicht einmal eine Stadt nennen. Ein Albtraum sei das– so schlimm, dass nicht einmal der Autor von Blade Runner sich so etwas auszudenken gewagt hätte. › Die Diktatur der Autobahnen! ‹, schimpfte sie, und dass man ein Zentrum vergebens suche. São Paulo gleiche Los Angeles, wobei es in L.A. wenigstens die Filmindustrie gebe. In São Paulo gebe es nichts als die ekelerregenden Ausdünstungen des Flusses, des Pinheiros, und den Gestank nach gebratenem Rind, der aus den Abzugshauben der Churrascarias in sämtliche Straßen waberte.
    Und doch spürte Elisabetta eine unerklärliche Heiterkeit, sobald sie den Fuß in ihr Stadthaus setzte.
    Minutiös verplante sie ihre wenigen Tage dort: Verabredungen mit Freundinnen,

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