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Durst: Thriller (German Edition)

Durst: Thriller (German Edition)

Titel: Durst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Riva
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Einkaufsbummel und stets ein Besuch im berühmten Konzertsaal, um hervorragende klassische Musik zu hören.
    Die Einwohner von São Paulo feierten ihre Geburtstage gerne im Restaurant. Paulo Henrique Johannsen nicht. Für ihn waren Restaurants nichts als angenehme Alternativen zu Sitzungssälen. Die schönsten Lokale wählte er aus, um stinklangweilige Fragen zu besprechen und dabei gut und schnell zu essen, ohne Zeremoniell und ohne Leerlauf. Ein bedeutender Geschäftsmann konnte sich diesem sozialen Ritual nicht entziehen. Das Restaurant war die Bühne, auf der man sich in Szene setzte, der Fachpresse verschlüsselte Botschaften übermittelte, Präsenz zeigte und seine Teilnahme am Spiel bekräftigte. Wenn du nicht in Erscheinung trittst, kommen die Leute noch auf dumme Gedanken, pflegte Paulão zu sagen. Die Leute sollen aber nicht auf dumme Gedanken kommen, die Leute sollen wissen, dass du da bist. Sie sollen Angst haben. Die Freunde sollen hoffen, an deinen Tisch gebeten zu werden, und die Feinde sollen fürchten, dass du zur Tür hereintrittst.
    Familie ist etwas vollkommen anderes. Familienrituale sollten– weit weg vom allgemeinen Geschwätz– in der Wärme des häuslichen Rahmens gepflegt werden. Deshalb würden sie an diesem Abend nur ein trauter Kreis sein.
    Elisabetta verzichtete auch deshalb auf die Regie, weil dies eine der wenigen Gelegenheiten war, ihren Sohn zu Gesicht zu bekommen. Außerdem würde der alte Josef Johannsen da sein, dessen Chauffeur den ganzen Abend über geduldig auf dem großen Kiesplatz parken und auf ihn warten würde. Dann kam Elisabettas ältere Schwester Sofia. Sie war mit einem berühmten griechischen Architekten verheiratet, der sie aber nie begleitete, was ihn Paulão umso sympathischer machte. Eventuell würden Sofias Töchter mitkommen, vor allem die jüngere, Fedra Saah. Das Mädchen, das einen Meter achtzig maß, war eine strahlende Society -Größe von São Paulo und wurde von Mônica Bergamo, der Kolumnistin des Folha de S. Paulo, mindestens einmal die Woche bei irgendeiner Party, Modenschau oder Boutique-Eröffnung gesichtet. Ob sie kam, war stets ein Geheimnis, das erst am späten Nachmittag gelüftet wurde. Paulão mochte da auch nicht kleinlich sein, zumal es genug zu essen gab. Aus demselben Grund hatte er sich berechtigt gefühlt, zum ersten Mal und wider die Regel jemanden einzuladen, der nicht zur Familie gehörte: den Anwalt Antônio Netto.
    Das einzig Missliche am heutigen Tag war, dass es regnete. Es war ein typischer Herbsttag in São Paulo, genau die richtige Gelegenheit, um große Holzscheite im Kamin anzuzünden, ein kalorienhaltiges Essen zu servieren und Ströme von Champagner fließen zu lassen.
    Paulo stand in seiner salbeigrünen Kaschmirjacke am Fenster und schaute in den Park, der von der Dunkelheit verschluckt wurde. Die Luft draußen war feucht und kalt. Elisabetta saß auf dem Rand der großen Badewanne und bürstete ihr Haar. Die Tür stand auf. Ihr Mann drehte sich um, betrachtete sie und wandte sich dann mit einem müden Lächeln wieder dem Park zu. Die Konversation mit seiner Frau beschränkte sich mittlerweile auf wenige kurze Sätze, fast schon Verlegenheitsfloskeln. Sie waren wie zwei Schiffe, die in verschiedene Häfen glitten, obwohl sie gemeinsam ausgelaufen waren. Immerhin gaben sie sich Mühe, einander nicht wechselseitig zu verletzen. Außerdem hielt Elisabetta ihren Gatten immer noch für einen faszinierenden Mann. Während sie sich das Haar bürstete, beobachtete sie ihn. Diese ferne, übergewichtige Gestalt war von einer eigentümlichen Schönheit.
    » Woran denkst du? «
    Er zuckte kaum merklich mit den Schultern. » An nichts. «
    Das stimmte natürlich nicht. Paulo konnte nicht aufhören, an die Entscheidung zu denken, die er am Ende dieses turbulenten Nachmittags getroffen hatte. Gegen fünf hatte er Antônio Netto in sein Büro bestellt, hatte ihm einen Platz auf einem der elfenbeinfarbenen Cassina-Sofas angeboten und ihm eröffnet, dass er keine andere Wahl habe, als die Fazenda herzugeben. Natürlich nicht. Dann hatte er sich selbst in die Lederpolster fallen lassen und die fragile Metallkonstruktion des Designerstücks auf eine harte Probe gestellt.
    » Warum sind Sie so besorgt, Doktor? «
    » Verstehst du das wirklich nicht? Tu doch nicht so blöd, Antônio, das ist nicht nötig. «
    Der Anwalt verstand natürlich, aber die Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen. » Ist es wegen Ihres Sohnes? «
    Paulão

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