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Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)

Titel: Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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Hopetown gewesen ist. Das muss Jack für die Tonton sein. Ihr Hauptgewinn.
    Also, was weiß ich sicher? Als wir uns getrennt haben, hat er nach Osten gewollt. Um Ikes Frau zu sagen, dass Ike tot ist. Molly Pratt mit den roten Rüschenschlüpfern. Mit Lippen wie reifen Kirschen und Kurven, dass ein Mann vor Freude weinen könnte. Sie führt eine Schenke im Sturmgürtel. Jack muss den Tonton irgendwo unterwegs in die Hände gefallen sein. Trotzdem. Auch wenn er ein Gefangener wär, würde er sich lieber selbst töten, als mit solchen Männern zu reiten und bei ihren Schandtaten mitzumachen. Ich weiß, dass er das tun würde. Ich würd’s tun.
    Ich denk nach, bis ich nicht mehr denken kann. Bis mir der Kopf brummt. Der Tee, den Auriel mir gegeben hat, schwimmt bestimmt immer noch in meinem Blut. Wenn ich mich ausruh, nur ganz kurz, ist mein Kopf danach bestimmt wieder klar. Alles … das Ganze … alles wird dann klar sein.

    M it einem Ruck werd ich wach. Ich lieg am Ufer auf der Erde. Es ist dunkel.
    Musik lärmt durchs Lager. Sie buckelt und ruckelt und schmettert zum Herzschlag der Leute. Jemand jodelt. Füße stampfen. Hände klatschen. Die Feier zum Dampfablassen ist in vollem Gang. Fackeln erleuchten den Himmel. Freudenlaute tanzen um mich rum. Der ganze Lärm muss mich geweckt haben.
    Ich kann mich nicht erinnern, wie ich eingeschlafen bin. Ich muss stundenlang weg gewesen sein. Mühsam setz ich mich auf. Das Wasser des Snake River glitzert, ein Silberband im Mondlicht. Ich stütz den Kopf in die Hände. Krächz, krächz, Nero kommt aus der Dunkelheit angesegelt. Flatternd landet er neben mir, legt den Kopf schräg und guckt mich scharf an.
    Ich mach mir nichts mehr aus dir.
    Komm zu mir, such mich, mein Herzenswunsch. Ich kenn Jack in meinem Herz.
    Und plötzlich weiß ich, was ich tun muss.
    »Da stimmt was nicht«, sag ich. »Ich reite zurück, ich kehr um. Ich reite da hin – nach Resurrection, so hat Lilith das genannt –, ich such ihn und setz mich irgendwie mit ihm in Verbindung.«
    Wie schwer kann das schon sein? Ich kratz Nero sanft über den Kopf. »Lugh hab ich doch auch gefunden, oder? Wir ziehen heute Nacht los. Während sie alle schlafen. Was sagst du?«
    Der Herzstein liegt auf der Erde. Plötzlich stürzt Nero sich drauf, nimmt ihn in den Schnabel und fliegt weg. Er segelt über den Fluss. Dann lässt er ihn fallen. Gleich liegt er im Wasser.
    »Nein!« Ich renn am Ufer lang. Mach einen Hechtsprung. Flieg durch die Luft, die Hand ausgestreckt. Als ich den Stein gerade packen will, kommt Nero angeschossen und schnappt ihn sich.
    Mit dem Gesicht nach unten plumps ich ins Wasser. Als ich wieder hochkomm und nach Luft schnapp, tropfnass, da kreist er über einer der Pappeln am Ufer. Über der größten. Sie ist hoch und hat dichte, verschlungene Äste. Wenn er ihn da reinfallen lässt, komm ich niemals dran.
    »Nero! Nein! Gib ihn mir sofort!« Während ich brüll, wate ich ans Ufer und lauf auf ihn zu. »Komm her, du böse Krähe!«
    Er fliegt zum Lager. Er neckt mich, ärgert mich. Kommt auf mich zu, fliegt wieder weg. Lässt den Stein fallen, fängt ihn auf, lässt ihn fallen, fängt ihn auf. Lässt mich fast drankommen, dann schnappt er ihn mir im letzten Moment weg. Plötzlich bleibt mir fast das Herz stehen: Er hockt sich über das Belüftungsrohr von einer der Abtritthütten und lässt die Kette runterbaumeln. Die Tür ist versiegelt. Mit Kreide haben sie ein großes X draufgemalt. Das heißt, der Abtritt ist voll.
    »Wag es ja nicht!«, schrei ich.
    Ich spring. Halt mich am Rohr fest. Greif nach ihm. Das Rohr biegt sich. Ich purzel zu Boden, und Nero fliegt wieder weg. Ich renn hinter ihm her. Dieser Stein wird mich zu Jack führen. Ich kann nicht ohne ihn losziehen.
    Die Feier findet auf dem großen offenen Platz statt, wo wir Auriel das erste Mal gesehen haben. Die Musikanten mit ihren Instrumenten aus Gerümpel stehen oben auf der Bühne und spielen, als ob der Teufel sie antreibt. Sie kratzen auf ihren Wimmerhölzern, quetschen die Quetschkommoden, tröten in ihre Pfeifen und dreschen auf die Trommeln ein. Wenn sie die hochroten Köpfe schütteln, fliegen die Schweißtropfen nur so.
    Lilith singt. Sie schmettert laut und dreckig, raschelt mit den Röcken, klimpert mit den Augen. Meg hockt barfuß am Rand der Bühne und schäkert mit irgendeinem Burschen. Jemand sollte ihn warnen, er sollte ein bisschen auf Abstand gehen. Ihr Vorbau ist so eng in ihr tief ausgeschnittenes Kleid

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