Dustlands - Der Herzstein: Roman (German Edition)
als ob hier viele Leute vorbeikommen würden. Nero flitzt von Ast zu Ast.
»Warte!« Maev kommt hinter mir hergerannt. »Was dagegen, wenn ich mitkomm?«
»Du magst Jack doch nicht«, sag ich.
»Er ist ein gottverdammter Besserwisser«, sagt sie.
»Ich auch. Du übrigens auch.«
»Eben«, sagt sie, »er erinnert mich zu sehr an mich selbst.«
»Was er zu dir gesagt hat, Maev, das war die Nachricht. Vergiss es, es ist hoffnungslos, Hochmut kommt vor dem Fall. Ihr hättet uns kommen sehen müssen bei dem Mond und mehr als drei Wachen aufstellen. Das bedeutet: Triff mich beim nächsten Vollmond am Lost Cause. Die Dreierregel.«
»Ach«, sagt sie. »Schlau. Tja, du hast dir in den Kopf gesetzt, da hinzugehen, und hier sind wir. Ich lass dich nicht allein gehen. An dieser Jack-Sache ist vielleicht mehr dran, als man auf den ersten Blick sieht. Jedenfalls« – ihr Tonfall ist ach so beiläufig –, »ich hab noch eine Rechnung mit den Tonton offen.«
Und da ist er, der wahre Grund, warum sie mitkommen will.
»Ich wünschte, du würdest mit Lugh über Jack reden«, sag ich. »Auf mich hört er nicht.«
»Du kapierst es nicht, was?«, sagt sie. »Für ihn sieht das so aus, dass Jack ihm gestohlen hat, was ihm gehört, während er schwach und hilflos gewesen ist. Dich.«
Ich bleib stehen. Dreh mich um und starr sie an. »Keiner hat mich gestohlen. Ich gehör Lugh doch nicht.«
»Versuch mal, ihm das zu sagen«, sagt sie. »Und wo du schon mal dabei bist, sag’s dir selbst.«
»Ich werd dir mal was sagen: Halt verdammt nochmal die Klappe!« Ich geh weiter, zwäng mich durch das Gestrüpp auf dem Pfad.
»Hoffentlich finden wir schnell ein paar Pferde«, sagt sie. »Zwei Tage sind nicht viel, um irgendwohin zu kommen, wenn man nicht weiß, wo das ist.«
»Saba!« Emmi kommt angerannt. »Lugh sagt, du sollst zurückkommen. Er sagt, wir müssen alles besprechen, einen Plan machen.«
»Er hat selbst eine Zunge im Mund, er kann mir das selbst sagen«, sag ich.
»Ach, er spricht nicht mehr mit dir.« Sie reiht sich hinter Maev ein. »Wo gehen wir hin?«
Der Pfad verlässt jetzt den Wald. Wir stehen auf einer kleinen Anhöhe. Vor uns liegt Land, das früher mal eine bewaldete Ebene mit Seen war, und in der Ferne stehen Berge. Aber die Bäume auf der Ebene haben anscheinend irgendeine Krankheit – sie sind nur noch vertrocknete Stöcke, Stämme, Äste, Nadeln. Traurige Erinnerungen an Bäume, mehr sind sie nicht mehr. Hier und da stehen die Ruinen von Abwracker-Lichtmasten. Von hier aus können wir sehen, dass der Pfad ziemlich geradeaus da durchführt. Nur eine einzige Straße. Nur in eine Richtung. Nach Osten.
»Ich weiß nicht, wo ihr hingeht«, sag ich. »Aber ich geh da lang.«
»Hey!«, schreit Lugh zwischen den Bäumen hinter uns. »Hey!« Er stürmt auf mich zu, das Gesicht wie eine schwarze Wolke. Tommo folgt ihm auf dem Fuß wie ein besorgter Hund und führt Hermes am Zügel.
»Ich hab gedacht, du sprichst nicht mit mir«, sag ich.
»Tu ich auch nicht. Und du gehst keinen Schritt weiter, bis wir einen Plan haben.«
Ich geh den Hang runter. Tracker und Maev folgen mir. »Ich hab einen Plan«, sag ich. »Ich geh zum Lost Cause.«
»Du hast keine Ahnung, wo das ist«, sagt Lugh. »Könnte sonst wo sein.«
»Die Schenke liegt im Sturmgürtel. Lilith hat mir das gesagt. Außerdem: Ich hab auch nicht gewusst, wo du gewesen bist, aber ich hab dich trotzdem gefunden.«
»Das stimmt«, sagt Emmi.
»Halt die Klappe, Em«, sagt er.
Er steht oben auf der Anhöhe, die Hände in die Hüften gestemmt. Wütend guckt er zu uns runter. Wir gehen weiter. »Ihr habt keine Pferde«, ruft er.
»Wir besorgen uns welche! Wir stehlen uns welche!«, ruf ich ihm zu. »Geh zurück zum Snake River, Lugh. Nimm Hermes und Emmi und Tommo mit. Geht zurück. Auf mich ist ein Kopfgeld ausgesetzt. Ich bring euch nur in Gefahr.«
»Ich hab gewusst, es gibt einen Grund, warum ich dich mag«, sagt Maev.
Die letzten paar Schritte bis zum Fuß des Abhangs rutschen und schlittern wir über Geröll. Sobald wir auf flachem Untergrund sind, fangen wir an zu rennen. Lughs wütende Rufe folgen uns. »Saba! Saba! Komm sofort zurück!«
Im Laufschritt machen wir uns auf den Weg über die Ebene.
T racker spürt es zuerst. Das Donnern von Hufen hinter uns. Wir sind erst ein paar Minuten gelaufen. Tracker bleibt stehen. Er guckt zurück in die Richtung, aus der wir kommen. Er bellt, guckt mich an. Maev und ich bleiben auch stehen.
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