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Dustlands - Die Entführung

Dustlands - Die Entführung

Titel: Dustlands - Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moira Young
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Erde.
    Ich guck raus auf die weite offene Wüste. Das Sandmeer. Es reicht, so weit ich sehen kann. Keine Bäume, keine Hügel, bloß flaches trockenes Land, viele Tagesmärsche weit. Wenn ich an dem Steinhaufen vorbeigeh, bin ich in einer unbekannten Welt. Hopetown liegt im Norden, am Fuß der Black Mountains, hat Mercy gesagt. Wenn ich Glück hab, bin ich in einer Woche da. Eine Woche, hat sie gesagt. Wenn ich Glück hab.
    Bevor ich merk, was sie vorhat, ist meine Hand in die Tasche geschlüpft, findet den Herzstein und holt ihn raus. Meine Finger schließen sich um den kühlen Stein, reiben über die glatte Oberfläche.
    Was mein Herz sich wünscht. Als ob ein Steinchen mir das zeigen könnt. Wenn Lugh hier wär, würden wir drüber lachen, er und ich. Ich schieb den Stein tief in meine Tasche und häng mir meine Sachen wieder um.
    Na komm, sag ich zu Nero.
    Ich geh am Steinhaufen vorbei.
    Einen Schritt näher zu Lugh.
    Ich guck nicht zurück.

    E ine Abwrackersiedlung. Genau wie die in Pas Gruselgeschichten.
    Siedlungen, die von Wanderdünen verschluckt werden, großen Wellen aus Sand, die sie innerhalb von ein paar Minuten zudecken. Dann, nach Monaten oder sogar Jahren, wandert der Sand weiter, und die Siedlung ist immer noch da.
    Da stehen zwölf Blechhütten. Außerdem ein paar rostige Wagen, eine Wetterfahne und noch mehr Abwrackerschrott auf einem Haufen. Ein trockener, schäbbiger, armseliger Ort. Aber er ist nicht geplündert worden. Sonst hätten die Hütten keine Türen oder Wände oder so mehr, und das ist alles noch da, bloß verbogen, bestimmt vom Gewicht des Sands.
    Keine Plünderer heißt, die Siedlung ist erst vor kurzem wieder aus dem Sand aufgetaucht. Komische Vorstellung, dass das alles noch begraben gewesen wär, wenn ich letzte Woche oder gestern oder vielleicht sogar vor ein paar Stunden hier vorbeigekommen wär. Ich wär vielleicht einfach drüber gegangen, ohne es zu ahnen.
    Langsam geh ich durch die Siedlung. Nero hockt auf meiner Schulter. Ich halt die Augen offen. Man muss immer die Augen offen halten. Man weiß nie, wann man über was stolpert, was man brauchen kann. Aber ich hab hier gar keine Lust, was mitzunehmen. Ich krieg hier eine Gänsehaut.
    Da ist ein Brunnen. Das Wasser ist bestimmt schlecht, ist es meistens in diesen alten Abwrackerbrunnen. Aber in der Wüste kann man es sich nicht leisten, nicht nachzusehen. Ich mach schon den verrosteten Deckel auf, da seh ich Zeichen drauf. Sie sind kaum noch zu erkennen. Ein Totenkopf und zwei überkreuzte Knochen. Todeswasser. Ich lass den Deckel wieder fallen, dass es poltert. In der Stille hier klingt das so laut, dass ich zusammenzuck. Nero flattert erschrocken auf.
    Dann seh ich sie. Drei Reihen Kreuze, die im Sand stecken. Das Holz ist in der Sonne silbern ausgebleicht, verwittert, ein paar sind nur noch kleine Stummel. An einem Kreuz hängt die Querstrebe runter, fällt bestimmt bald ganz ab.
    Ein fieser Wind fegt durch die Siedlung. Er ist auf Unfug aus. Er wirbelt Sand um meine Füße, schmeißt ihn mir in die Augen, dass sie brennen. Er stöhnt und klagt, tief unten im Brunnen. Rüttelt an den Türen der Hütten. Als ob jemand ihm aufmachen und ihn einladen könnt.
    Die lose Querstrebe fliegt in die Luft. Fällt lautlos auf den Boden. Wird weggeweht.
    Todeswasser. Flugsand.
    Arme Schweine.
    Die hier gelebt haben.
    Hier gestorben sind.
    Als ich die Siedlung gerade hinter mir lassen will, stürzt Nero auf irgendwas am Boden runter. Macht einen mächtigen Radau, schreit und zetert und flattert hin und her. Ich renn zu ihm, will sehen, warum er so einen Aufstand macht.
    Was ist jetzt wieder, du verrückter Vogel?, frag ich.
    Er hat einen kleinen Ring aus glattem grünen Glas im Schnabel. Mir bleibt das Herz stehen.
    O mein Gott, sag ich.
    Ich fall neben ihm auf die Knie. Halt ihm die Hand hin. Er legt den Ring rein. Ganz sanft.
    Es ist Lughs. Von der Kette, die ich für ihn gemacht hab. Er hängt immer noch an einem kurzen Lederstück, das an beiden Enden abgerissen ist. Er muss ihn sich vom Hals gerissen haben, als sie gerade nicht hingeguckt haben.
    Nero krächzt.
    Ich weiß, sag ich. Er hinterlässt eine Spur für uns.
    Ich find dich. Egal wo sie dich hinbringen, ich schwör, ich find dich.
    Nein, das ist zu gefährlich. Bring dich in Sicherheit. Dich und Emmi. Versprich’s mir.
    Er kennt mich. Er hat gewusst, dass ich ihm folg.
    Wir sind auf dem richtigen Weg, sag ich. Ich nehm Nero vorsichtig in die Arme und küss ihn auf den

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