Dylan & Gray
oder?«, frage ich.
Daraufhin erfahre ich, dass Dylan wirklich alles mit Namen versieht. Sogar ihre Sommersprossen. Sie hält mir ihren Arm entgegen und stellt mir Blake und Stacey vor. Die beiden sitzen nebeneinander in der Nähe des Handgelenks. Neuerdings sind sie mit einer Sommersprosse weiter oben am Ellbogen zerstritten, die den Namen Meredith trägt. Ich verzichte darauf, das Thema weiter zu erörtern.
Wir lassen uns auf die Ledercouch fallen und überlegen, was wir meiner Mom schenken sollen. Also, genauer gesagt denkt nur Dylan darüber nach. Ich bin zu sehr mit der Vorstellung beschäftigt, wie es wohl wäre, sie zu küssen. Beim Hinsetzen habe ich mich so nah herangewagt, dass unsere Arme sich berühren und meine Wade gegen ihre streift. Hitzewellen laufen durch mein Bein.
Jetzt. Mach schon, du Trottel. Küss sie.
Mein Blick huscht zu ihren Lippen und wieder hoch zu ihren Augen. Das ist die beste Art, wortlos um Erlaubnis zu bitten. Aber Dylan ist zu beschäftigt, um davon etwas zu merken. Sie schaut mich nicht einmal an.
»Ich bin dafür, dass wir ihr den Wein besorgen«, sagt sie mit einem entschlossenen Nicken. Ich seufze, weil unsere Pläne gerade in total verschiedene Richtungen gehen. Frustriert raufe ich mir die Haare.
»Wieso willst du meiner Mom ausgerechnet das Einzige besorgen, was wir nicht kaufen können?«
»Weil sie nie auf die Idee kommen wird, dass die Überraschung von uns ist. Der Wein taucht einfach aus dem Nichts auf. Solche Geschenke sind die besten.«
Ich schaue mich im Wohnzimmer um. »Vielleicht hat deine Tante Dan irgendwo eine Flasche?«, frage ich. Wir gehen in die Küche und schauen im Kühlschrank und in der Speisekammer nach, aber ohne Erfolg.
Dylan tigert vor dem Küchentresen auf und ab. »Wir könnten eine Flasche stehlen.«
»Geniale Idee«, sage ich.
Sie bleibt stehen und schaut mich an. »Wirklich?«, fragt sie.
»Klar. Uns verhaften zu lassen, wäre die perfekte Überraschung für meine Mom. Bestimmt würde es ihre Stimmung enorm heben, wenn ihr letztes noch lebendes Kind sich als verkappter Alkoholiker mit krimineller Energie herausstellt.«
»Gutes Argument. Okay, dann brauchen wir einen Handlanger«, entscheidet sie.
»Einen Handlanger?«
»Jemanden, der die Arbeit für uns erledigt. Kennst du Leute, die schon einundzwanzig sind?«
Ich zucke mit den Schultern. Da ich seit Monaten mit keinem meiner Freunde gesprochen habe, fände ich es jetzt ein bisschen unhöflich, sie anzurufen und zum Alkohol-Shoppen zu benutzen.
»Dann bleibt nur noch eine Möglichkeit.«
Ihr Blick wird kalkulierend und ich denke: Oh, Oh.
»Welche denn?«, frage ich vorsichtig.
***
Zwanzig Minuten später sitze ich auf dem riesigen Bett von Dylans Tante, während sich Dylan in dem größten begehbaren Kleiderschrank umzieht, den ich je gesehen habe. Ich schaue mich im Schlafzimmer um, das in meinem Zuhause eine ganze Etage ausfüllen würde und vollständig in den Farben Blau und Gold gehalten ist. Sogar in den Teppichboden sind glitzernde Goldfäden eingewebt. Ich frage mich, welcher Mann sich freiwillig auf so eine Inneneinrichtung einlassen würde. Vielleicht war ihr Ex auch nicht hetero.
»Wo steckt deine Tante eigentlich?«, rufe ich.
»Für ein paar Wochen in Vegas«, schreit Dylan durch die geschlossene Tür zurück. »Mach dir keine Sorgen. Selbst wenn sie jetzt nach Hause käme, würde sie sich kein bisschen aufregen. Sie ist ziemlich entspannt.«
Dylan tritt mit einem schiefen Grinsen durch die Tür. Ich starre sie an und muss laut loslachen. Sie hat in dem Fundus ein Überbleibsel aus den frühen Achtzigern entdeckt: ein ärmelloses Hängekleid aus Jeansstoff. Es ist ein Stück zu kurz und bringt ihre dürren Knöchel zur Geltung. Darunter trägt sie einen weißen Rollkragenpulli. Der weite Rock bläht sich um Dylan, sodass sie eine matronenhafte Figur bekommt. Passend dazu hat sie lange braune Strümpfe gefunden, auf die rosa Kätzchen gestickt sind. Die braunen Ledersandalen sind mit kleinen Schleifen verziert. Über ihrer Schulter hängt eine beigefarbene Handtasche mit geflochtenem Riemen. Dylan sieht mindestens aus wie vierzig.
»Unglaublich«, sage ich.
Grinsend dreht sie sich um die eigene Achse und betrachtet sich im Ganzkörperspiegel. Bei ihrem Anblick hüpft sie begeistert auf und ab und klatscht in die Hände. Dann wendet sie sich der passenden Frisur und dem Make-up zu. Ich folge ihr ins Bad, wo wir die Schubladen durchsuchen, bis wir einen Korb
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