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Dylan & Gray

Dylan & Gray

Titel: Dylan & Gray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Kacvinsky
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der Realität verbringt, führt das nur zu Depressionen. Ganz von selbst öffne ich die Autotür und steige aus.
    Wir kraxeln eine Betonschräge hoch und erreichen das schattige Sims, wo die Pfeiler und die Straßenunterseite zusammentreffen. Dort setzen wir uns und schauen aus der Vogelperspektive auf die mit Wüstenstaub bedeckten Schienen hinab. Über uns sausen Autos entlang und erinnern uns daran, dass das Leben in unvermindertem Tempo weitergeht. Aber in dieser dämmerigen Nische kann man die Welt einfach an sich vorbeirauschen lassen. Hier sind wir sicher vor Beobachtung und kritischen Blicken. Wir können tun, was wir wollen. Keiner sagt uns, was wir alles verkehrt machen.
    Gray erzählt, dass seine Schwester diesen Ort entdeckt hat. Man kann ihn von der Straße nicht sehen, und die umliegenden Fabrikgebäude und Lagerhäuser schirmen ihn von allen Seiten ab. So ist ein privater Zufluchtsort entstanden, der nur ein paar würdigen Personen bekannt ist. An den Wochenenden hat Gray seine Freunde hierher eingeladen. Für eine kurze Zeitspanne an den Freitag- und Samstagabenden konnten sie ganz allein über sich bestimmen und niemand stand ihnen im Weg. Sie hatten selbst die Kontrolle über ihr Leben. Es war nicht länger verplant und eingeengt von Eltern, Lehrern, Trainern, Terminen, Stundenplänen.
    Gray erwähnt, dass er nach dem Tod seiner Schwester manchmal die Schule geschwänzt hat, um allein hierher zu fahren und zu rauchen.
    »Dabei mag ich Zigaretten nicht einmal«, sagt er. »Aber dadurch habe ich mich gezwungen, weiterzuatmen. Schon das war eine Anstrengung.«
    »Sonst kommt niemand hierher?«, frage ich.
    »Nach ihrem Tod ist die Brücke so etwas wie ein Gedenkplatz geworden. Ich finde immer noch Briefe für Amanda. Die paar Leute, die von diesem Ort wissen, bringen Blumen und Fotos her. Manchmal lassen sie auch Nachrichten für mich da.«
    Wir schweigen eine Weile. Das einzige Geräusch ist das Brausen des Verkehrs über uns. Aber es fühlt sich weit weg an, wie eine verblassende Erinnerung, als seien wir Lichtjahre entfernt von anderen Menschen.
    »Amanda wurde eingeäschert«, sagt Gray mit fast emotionsloser Stimme. Wir schauen auf die sandigen Bahnschienen unter uns. Die Sonne brennt gleißend vom Himmel.
    »Für mich ist die Brücke ihr Grabstein«, sagt er.
    ***
    Als Nächstes fahren wir zu einem Imbisscafé namens »Geckosnack« in Tempe, das ebenfalls zu Amandas Lieblingsplätzen gehörte. Wir suchen uns einen Platz im Freien aus. Hier konnte Amanda stundenlang sitzen und Leute beobachten. Wir bestellen zwei Burger, Curly Fries und Milchshakes.
    »Amanda hatte einen prima Geschmack«, sage ich und stopfe mir eine Pommes in den Mund. Heute habe ich ansonsten ziemlich wenig geredet. Ich stelle Fragen. Ich höre zu. Je mehr ich von Amanda erfahre, desto besser lerne ich Gray kennen, und zwar von einer ganz anderen Seite als bisher. Dieser Teil von ihm ist abenteuerlustig, übermütig, albern … glücklich. Wenn uns Menschen nahestehen, beginnen sie leere Stellen in uns auszufüllen und uns zu vervollständigen, bis sie ein wesentlicher Teil von uns sind. Ich glaube, mit Amandas Tod hat Gray das Stück von sich selbst verloren, das ihm am liebsten war und ihn mit dem größten Stolz erfüllte. Kein Wunder, dass er von dem Schwarzen Loch in seinem Inneren verschluckt wurde.
    »Wie kommst du klar?«, frage ich.
    Gray stochert in seinen Fritten herum. »Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich Spaß hatte«, sagt er, »aber der Tag war auch nicht total grässlich. Vorher war ich mir nicht sicher, worauf ich mich einlasse.«
    Ich nicke und warte darauf, dass er weiterredet. Er schaut mich fragend an. Als ihm klar wird, dass meine Frage nicht nur auf den heutigen Tag gemünzt war, lehnt er sich zurück und starrt nachdenklich auf die Straße. Wir haben uns lange genug in der Vergangenheit herumgetrieben, um Amanda wieder zum Leben zu erwecken. Nun wird es Zeit, in die Gegenwart zurückzukehren.
    Gray spricht langsam und kontrolliert, als müsse er seine Gefühle unter Verschluss halten.
    »Ich versuche herauszufinden, wie ich ohne sie leben soll«, sagt er. »Das fällt mir von allem am schwersten. Sie wird nie heiraten, nie an die Uni gehen, nie Kinder bekommen … alles, was sie eigentlich noch vor sich haben sollte. Ihr beide werdet euch nie begegnen. Ich kann mich nicht damit abfinden, dass sie nur eine Erinnerung ist. Sie hat so viel mehr verdient.«
    Wir schweigen ein paar Sekunden. Ich zupfe

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