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Dystopia

Dystopia

Titel: Dystopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lee
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erst nach zwei Monaten entschieden. Und mit seinem Examen ist er weniger branchengebunden als ich. Derzeit werden sich bei ihm vermutlich alle möglichen Interessenten melden, von Filmstudios bis hin zu Lobbyunternehmen.»
    «Na gut, mag ja sein, dass er noch nicht für dieses Unternehmen arbeitet», sagte Travis. «Aber in Verhandlung dürfte er doch schon mit denen stehen. Wir könnten ja mal auf einen Plausch bei ihm vorbeischauen, ihm eine Knarre vors Gesicht halten, wenn’s nicht anders geht.»
    «Nein, das wird wohl leider nicht gehen. Seinem letzten Blogeintrag zufolge, das war vor ein paar Stunden, ist er gerade mit seiner Freundin verreist. Sie sind in Japan.»
     
    Travis ließ sich aufs Sofa fallen und lehnte sich zurück. Er rieb sich über die Augen. Er war hundemüde.
    Sie waren wieder am Ausgangspunkt angelangt. Hatten rein gar nichts, wo sie ansetzen konnten. Die Barriere aus Luft rings um die Oubliette war noch genauso unüberwindlich wie zu Beginn, als Bethany dieses Bild gebraucht hatte.
    Er warf einen Blick auf die Uhr. Halb zehn Uhr morgens. Paige befand sich seit knapp zehn Stunden in den Händen ihrer Entführer.
    Bethany ging rastlos im Zimmer auf und ab. Sie hatte zwar ihr Telefon in der Hand, aber überhaupt keine Idee, wozu sie es einsetzen könnte.
    Travis schloss wieder die Augen.
    Paige wollte gar nicht, dass sie sich um ihre Befreiung bemühten. Vielmehr sollten sie die Mission fortsetzen, die sie eigentlich selbst hatte durchführen wollen. Daran hatte sie bei ihrem Anruf bei Bethany keinen Zweifel gelassen. Und es war ihr ernst gewesen. Weil sie selbstlos genug war, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Sechseinhalb Milliarden Menschenleben gegen ihr eigenes. Sie lag jetzt in diesem Moment in jenem Raum am Ende der Straße und hoffte und betete, dass sie nicht den Versuch riskieren würden, sie zu befreien. Dass sie sich einfach an die Arbeit machten, ohne sich länger mit ihr aufzuhalten. Und was sprach dagegen? Sie könnten jetzt sofort wieder an diesem Seil in die Tiefe klettern, zurück in das, was von Washington noch übrig war. Könnten sich erneut auf den Weg machen, die Vermont Avenue hinunter, die Hochhausruine diesmal links liegen lassen und eine Meile weiter bis zum Weißen Haus marschieren, um in den Trümmern dort nach irgendeinem konkreten Fingerzeig zu suchen, notfalls tagelang. Und falls sie dort nichts fanden, könnten sie sich das Pentagon vornehmen, drüben auf der anderen Seite des Flusses, wochenlang, wenn es sein musste. Und nach einer Weile bräuchten sie sich über Paige, die jetzt dort oben in jenem Raum lag, keine Gedanken mehr zu machen, weil sie dann schon längst nicht mehr am Leben wäre. Schon heute Abend würde sie vermutlich tot sein.
    Die Typen, die hinter dem Überfall auf die Wagenkolonne steckten, hatten sich vermutlich eher spontan entschlossen, sie gefangen zu nehmen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, weil sie zu jenem Zeitpunkt noch mehr offene Fragen als Antworten hatten. Was sich aber vermutlich längst erledigt hatte. Zehn Stunden reichten vollauf, um die Lage lückenlos zu klären. Und zu der Erkenntnis zu gelangen, dass sie sie nicht länger brauchten.
    Bestimmt gingen Paige gerade ähnliche Gedanken durch den Kopf. Während sie gefesselt in irgendeinem Raum da drüben lag und darauf wartete, dass ihre Entführer eine Entscheidung trafen. Während sie darauf wartete, dass
es
geschah. Wenn es dann so weit war, würde sie sich bemühen, nicht zu weinen. Würde sich die unerbittliche Logik vor Augen halten, dass es auf ihr Leben nicht ankam, solange nur die eigentliche Mission durchgeführt wurde. An genau diesem Gedanken würde sie sich festklammern, wenn sie spürte, wie ihr der Schalldämpfer gegen die Schläfe gedrückt wurde.
    «Du liebst sie.»
    Travis schlug die Augen auf.
    Bethany war endlich stehen geblieben und sah ihn an.
    «Du liebst sie», sagte sie nochmals. «Paige.»
    «Ich hatte weniger als eine Woche Gelegenheit, sie kennenzulernen.»
    «Das reicht vollkommen.»
    «Wie kommst du darauf, dass ich sie liebe?»
    «Weil du auf diesem hängenden Boden geblieben bist. Die Fläche zu betreten war schon mutig genug. Aber sich nach diesem Beinahe-Einsturz nicht in Sicherheit zu bringen … das war noch etwas anderes. So etwas Verrücktes tut man nur jemandem zuliebe, der einem mehr bedeutet als das eigene Leben. Viel mehr.»
    Travis starrte zunächst schweigend ins Leere. «Das kommt einfach nicht in Frage», sagte er

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