E-Book - Geisterritter
erklärte Ella mit dem stoischen Gesichtsausdruck, den ich inzwischen so beruhigend fand. »Aber ein netter«, setzte sie hinzu, als wären alle anderen Hunde eher wie die, die wir zuletzt getroffen hatten. »Er gehört meiner Freundin Alyce und kann wirklich schnell rennen. Zelda lässt ihn laufen, umdie Wachen abzulenken, und wir bringen die Kröte zwischen die Dolmen.«
»Die Kröte?«, wiederholte ich.
»Ja, sie ist auch in dem Korb«, sagte Ella. »Zelda sagt, Kröten können vergrabene Sachen finden.«
»Indem sie herumhüpft?«
»Genau«, sagte Ella und schob sich eine Handschaufel unter die Jacke.
Das war mit Abstand der verrückteste Plan, den ich je gehört hatte, aber da meine Absicht, ein vor achthundert Jahren vergrabenes Herz zu finden, schließlich auch kaum vernünftig war, hielt ich den Mund.
Es war erneut ein bewölkter Tag, und der Wind schmeckte schon nach Herbst, aber die Touristen hatte das nicht ferngehalten. Auf dem riesigen Parkplatz standen die Busse und Autos dicht an dicht, und die Menschenschlange, die sich jenseits der Straße an den Dolmen vorbeischob, sah aus wie eine Karawane von Pilgern, die ein seltsames Heiligtum anbeteten.
Als Zelda mit ihrem Korb auf das Kartenhäuschen zuhumpelte, teilte sich das Gedränge vor ihr wie eine Schar verschreckter Erstklässler vor Bonapart. Wer hält schon eine spindeldürre kleine alte Frau mit einem bandagierten Fuß auf? Es fragte auch niemand nach dem Inhalt ihres Korbes (oder bemerkte die weiße Schnauze, die schnüffelnd unter dem Tuch hervorkam, das Zelda über den Korb gedeckt hatte).
Der Weg vom Parkplatz zu den Steinen führt durch einen Tunnel, und als wir herauskamen, griff der Wind Ella ins Haar, sodassmein erster Blick auf Stonehenge durch ein Gespinst von schwarzen Strähnen fiel. Vielleicht fand ich deshalb, dass die riesigen Steine aussahen, als führten sie einen altertümlichen Tanz auf.
»Sie sind unheimlich, oder?«, fragte Ella, während wir uns in die Menschenprozession einreihten, die an ihnen vorbeipilgerte.
Ich war nicht sicher. Ich gab mir alle Mühe, die giftigen Schatten zu spüren, aber alles, was ich sah, waren ein paar große graue Steine, die im Vergleich zu Stourton und seinen blutleeren Knechten ziemlich harmlos aussahen.
Wir hatten die Dolmen zur Hälfte umrundet, als Zelda ihren Korb neben dem Weg ins Gras stellte und sich zu den Wächtern umsah, die gelangweilt neben dem Ausgang des Tunnels standen.
Wellington sprang aus dem Korb, sobald Zelda das Tuch lüftete. Es ist ganz bestimmt nicht angenehm, mit einer von ihren Kröten in einem engen Korb zu stecken. Er raste über das Gras, das die Dolmen umgab, schlug ein paar erleichterte Haken und schoss auf die Prozession dahintrottender Touristen zu.
»Mein Hund, mein Hund!«, schrie Zelda so laut, dass sie ein Fußballstadion mit ihrer Stimme hätte füllen können. Das Ergebnis war vollkommenes Chaos.
Wellington bellte. Die Touristen stolperten gegen- und übereinander. Die Wachen rannten Wellington nach, und Ella griff sich den Korb und schlenderte so selbstverständlich auf die Dolmen zu, als wäre sie für ein Picknick gekommen. Ich tat mein Bestes, ihr mit dem gleichen gelangweilten Gesichtsausdruck zu folgen.
Es funktionierte. Keiner nahm Notiz von uns.
Zelda schrie immer noch. Wellington rannte weiter über diezertrampelten Wiesen und hatte offenbar die beste Zeit seines Lebens – und Ella kniete sich im Schatten des größten Dolmens ins Gras und ließ die Kröte aus dem Korb hüpfen.
Sie machte einen lustlosen Hüpfer – und blieb sitzen.
»Na los!«, zischte Ella ihr zu und stupste sie mit dem Finger an. »Such!«
Nichts.
Das eingebildete Vieh hockte einfach nur da, mit einem Ausdruck tiefsten Abscheus auf dem breitmäuligen Gesicht.
Wir versuchten es bei einem anderen Stein. Und noch einem. Nichts. Ein gelangweilter Hüpfer, und die verdammte Kröte saß wieder nur da und starrte hinauf zu den grauen Steinen, die sich über ihr in den ebenso grauen Himmel reckten.
»So ein Reinfall«, sagte Ella und gab der Kröte einen weiteren Schubs. Die einzige Reaktion war ein ärgerliches Quaken.
Verdammt. Ich starrte die Dolmen an und versuchte zu spüren, wo der Mann, den ich mit Longspees Augen gesehen hatte, die Erde aufgegraben und die Urne mit dem Herzen versenkt hatte. Aber alles, was ich sah, war die Straße hinter den Dolmen und den überfüllten Parkplatz.
Hubert de Burgh. Ella behauptete, dass das sein Name sein musste. Auch
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