Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
Vom Netzwerk:
bleiben!«
    Nichts. Nur eine Krähe flog krächzend aus der Zeder auf, als beschwerte sie sich über mein Geschrei.
    Fort.
    Ich kniete da und spürte das Schwert in meiner Hand. Den Schlamm unter meinen Füßen. Sein Herz in meiner Brust. Steh auf, Jon!, sagte ich mir. Diesmal ist er wirklich fort. Doch gerade, als ich mich aufrichtete, hörte ich Longspees Stimme hinter mir.
    »Ein Toter braucht keinen Knappen, Jon Whitcroft.«
    »Oh doch!«, stammelte ich. »Ganz sicher.«
    »Ach ja? Und wofür?«
    Nun mach schon, Jon. Sonst ist er gleich wieder fort.
    »Um … deinen Eid zu erfüllen«, stieß ich hervor. »Um … um den Marmor von deinem Grabmal zu polieren, um dir Gesellschaft zu leisten … um … um den Weg aus der Dunkelheit zu finden oder die, die du liebst. Was auch immer! Es muss doch irgendwas geben, das ich tun kann!«
    Er schwieg. Und blickte mich an.
    Ich dachte, er würde nie etwas sagen. Aber seine Gestalt war wieder deutlicher geworden.
    »Es gibt nur eins, um das ich dich bitten könnte«, sagte er schließlich, »und es ist vermutlich unmöglich.«
    »Was ist es?« Ich wollte so gern etwas für ihn tun. Ich hatte mir noch nie etwas so sehr gewünscht. Ich hätte im Autausch dafür sogar in Kauf genommen, dass der Vollbart in meinem Leben blieb.
    Longspee zögerte mit der Antwort.
    Dann sagte er: »Traust du dich noch einmal in meine Dunkelheit?«
    Ich nickte.
    Und trat wieder auf ihn zu, bis seine Kälte mich umschloss.
    Ich war in der Kathedrale. Auf einem Begräbnis. Hunderte von Menschen drängten sich zwischen den Säulen. Männer, Frauen, Kinder. Ich sah Priester und Choristen in derselben Tracht, die Angus trug, Kerzen, Fackeln und in ihrem unsteten Licht Longspees Leiche. Meine Leiche. Ich lag fast genauso da, wie sein Abbild in Stein es tat. Eine Frau stand neben mir, sehr gerade, drei Jungen an ihrer Seite und zwei Mädchen. Ella. Ich spürte, wie meine Lippen ihren Namen formen wollten, aber ich war stumm und schon lange nicht mehr der Bewohner meines Körpers. Es war alles weiß.Es war alles schwarz. Und plötzlich sah ich ein anderes Bild. Ein Mann beugte sich über mich. »Ich habe gehört, dass du deine Frau gebeten hast, dein Herz an sich zu nehmen«, hörte ich ihn meinem toten Körper zuflüstern. »Sehr rührend. Hast du gehofft, dass sie dich so in alle Ewigkeit beschützen kann, die ach, so kluge Ela von Salisbury? Falsch gedacht. Ich habe dich nicht vergiftet, nur damit sie dir auch nach dem Tod noch treu ist. Nein. Deine Frau wird das Herz meines Dieners an ihre Brust drücken. Ich habe ihn eigens dafür erschlagen lassen, obwohl er ein guter Diener war. Dein Herz aber habe ich zwischen den alten Dolmen begraben lassen, deren giftige Schatten die Liebe ebenso zuverlässig töten wie mein Gift deinen Körper getötet hat. Du bist verloren, William Longspee. Denn ich weiß, du bist nichts ohne deine Liebe. Du wirst ertrinken in deiner eigenen Schuld, und deine Seele wird in der Dunkelheit bleiben, ohne Hoffnung, dass all dein Edelmut sie reinwäscht. Du wirst deinen lächerlichen Eid nicht erfüllen. Ela wird vergebens auf dich warten, hier und im Himmel. Und es wird endlich ein Ende haben mit eurer absurden Treue!«

    Ich rang nach Atem, Williams Wut erstickte mich. Hass. Verzweiflung – und ich wurde erst wieder Jon Whitcroft, als Longspee zum dritten Mal meinen Namen rief.
    »Wer war das?«, stammelte ich, während ich seine Wut noch immer wie meine eigene spürte.
    »Mein Mörder«, antwortete Longspee. »Finde mein Herz, Jon. Finde es, und begrabe es zu Füßen meiner Frau. Nur so werde ich die Kraft haben, meinen Eid zu erfüllen – und die Hoffnung, sie eines Tages wiederzusehen.«

10
    Giftige Schatten

    A lma musste mich gehört haben, als ich zurück ins Haus schlich. Sie kam den Flur herunter, als ich aus der Hose stieg, und ich schaffte es gerade noch, Angus’ Stofftiere aus dem Bett zu schubsen und selbst unter die Decke zu kriechen, bevor sie im Zimmer stand. Zum Glück bemerkte Alma weder die nassen Beine meiner Hose noch die schlammigen Schuhe unter meinem Bett. Schließlich zog sie die Tür wieder hinter sich zu und ich erstickte einen Seufzer der Erleichterung in meinem Kissen.
    Ich schlief wie ein Stein in dieser Nacht, obwohl ich einen abscheulichen Traum hatte, in dem Stourton mir das Herz herausschnitt und es unter einem Galgen begrub. Der nächste Morgen war ein Sonntag, und ich rief Ella an, sobald ich aufwachte. Sie war bei ihren Eltern, und

Weitere Kostenlose Bücher