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E-Book - Geisterritter

E-Book - Geisterritter

Titel: E-Book - Geisterritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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abgeschlossen war, ohne dass der Schlüssel steckte (irgendwas hatte die Popplewells offenbar misstrauisch gemacht), schlug Angus vor, durch ein Fenster im ersten Stock zu klettern. Zum Glück war es nicht allzu hoch, aber als ich schon auf dem Fensterbrett saß, hatte Stu nichts Besseres zu tun, als mir zu erzählen, dass Edward Popplewell mit einer Flinte neben dem Bett schlief und vor einem halben Jahr eine Katze vom Dach geschossen hatte, die er für einen Einbrecher gehalten hatte.Angus erklärte das für kompletten Stuie-Blödsinn, aber ich war trotzdem froh, dass das Fenster der Popplewells während unseres Abstiegs dunkel blieb.
    In die Kathedrale kamen wir ohne Klettern. Ich musste Angus einen heiligen Eid schwören, dass ich nie verraten würde, wie er uns hineinbrachte, und daran werd ich mich auch hier halten. Angus war als Chorist natürlich schon oft abends in der Kathedrale gewesen, doch weder Stu noch er hatten sie je betreten, wenn sie menschenleer und unbeleuchtet war und den Toten gehörte. Die Stille zwischen ihren Mauern war so vollkommen, als atmeten die Steine sie aus. Nur das Geräusch unserer Schritte war zu hören, während Stus Taschenlampe einen schmalen Lichtpfad auf die Steinfliesen malte, und für einen Augenblick glaubte ich im Südflügel die Graue Frau zwischen den Säulen zu sehen.
    »Es ist dieser hier, stimmt’s?«, flüsterte Angus, als wir vor Longspees Sarkophag stehen blieben.
    Ich nickte. Ich war immer noch sicher, dass William fort war. Fort mit Ella, wohin immer man ging, wenn man jahrhundertelang ein Geist gewesen war, und ich sagte mir zum tausendsten Mal, dass es gut so war – auch wenn ich ihn jetzt schon so sehr vermisste, dass mein Herz sich ganz wund davon anfühlte.
    »Also, wie rufst du ihn?«, fragte Angus, während Stu so beunruhigt auf Longspees steinerne Gestalt starrte wie ein Kaninchen, das in die Mündung von Edward Popplewells Flinte blickte.
    »Du rufst seinen Namen«, sagte ich, »und sagst ihm, dass du seine Hilfe brauchst.«
    »Bitte!«, hörte ich mich erneut flüstern. »Bitte, William Longspee. Hilf mir!« Es schien, als wären Jahre seit jener Nacht vergangen.
    Angus und Stu blickten auf Longspees steinernes Gesicht herab – und gaben keinen Laut von sich.
    »Er sieht aus, als nähme er seinen Eid ziemlich Ernst«, murmelte Angus schließlich. »Vielleicht wird er wütend, wenn man ihn ruft, ohne wirklich Hilfe zu brauchen.«
    »Sehr wahrscheinlich«, flüsterte Stu. »Ich denke, wir gehen besser zurück. Alma macht kurz vor Mitternacht immer noch eine Runde. Was, wenn sie sieht, dass wir weg sind?«
    Sie wird mir die Schuld geben, dachte ich. Wem sonst? Whitcroft, dem nächtlichen Rumtreiber.
    Angus wandte sich um und musterte die anderen Grabmäler. »Wir könnten versuchen, jemand anders zu rufen.«
    »Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist«, sagte ich. »Stu hat recht. Lass uns zurückgehen.«
    Aber Angus beachtete mich nicht.
    »Wie ist es mit dem da?«, fragte er und wies auf Sir John Cheneys Grabmal. Wie schon erwähnt – Angus ist sehr störrisch, wenn er sich etwas in den schottischen Kopf gesetzt hat. Und er hatte sich vorgenommen, in dieser Nacht einen Geist zu sehen.
    »Bonapart hat uns von Cheney erzählt«, sagte Angus. »Er war der Leibwächter von Edward dem Irgendwas und Fahnenträger von Heinrich dem Siebten während der Schlacht von Bosworth.«
    Stu warf mir einen alarmierten Blick zu.
    »Heinrich der Siebte?«, versuchte ich, Angus abzulenken. »Hat man den nicht tot in einem Dornbusch gefunden?«
    »Nein, das war Richard der Dritte«, sagte er und trat auf Cheneys Sarkophag zu. »Man nannte Cheney auch den Riesen«, murmelte er mit Ehrfurcht in der Stimme.
    »Den Riesen?«, hauchte Stu. »Warum?«
    »Sie haben die Knochen seines Skeletts gemessen«, antwortete Angus, »und festgestellt, dass er mindestens zwei Meter groß gewesen ist! Das war damals ziemlich groß.«
    Wenn man Stus Größe hatte, war es das immer noch. »Ich finde nicht, dass das so klingt, als ob man ihn treffen müsste!«, sagte er und versuchte Angus, von dem Sarkophag fortzuziehen. »Komm. Wenn du schon unbedingt einen Geist rufen willst, lass uns jemand in unserer Größe finden! Bonapart hat doch von diesem Kinderbischof erzählt …«
    Aber Angus stieß ihn zurück. »Nein!«, sagte er. »Ich will nicht nur irgendeinen Geist sehen. Es muss schon ein Ritter sein!«
    Er räusperte sich und presste Cheney die Hände auf die Alabasterbrust.

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