Éanna - Ein neuer Anfang
Sloanes sagen, als man nach einem Federballturnier gerade in kleinen Gruppen zusammenstand und sich stärkte. »Die meisten von ihnen wissen noch nicht einmal, was ein Fischmesser ist, geschweige denn, dass es einen Unterschied zwischen Rot- und Weißweingläsern gibt. Den ganzen Tag muss man ein Auge auf sie haben! Als hätten wir nichts Besseres zu tun, als ihnen zum hundertsten Mal zu sagen, wie das Silber zu putzen ist und dass auch die Bilderrahmen abzustauben sind!«
Worauf eine andere Dame nickte und entrüstet hinzufügte: »Und schon allein diese Vorstellungsgespräche! Der unverschämte Tonfall, den sie sich dabei anmaßen, und die Forderungen, die diese irischen Mädchen stellen! Als würde man sich bei ihnen bewerben und nicht umgekehrt! Erst vor einigen Wochen hatte ich es wieder mit solch einer ungehobelten Person zu tun. Und nun ratet, was sie mich fragte: Ob sie jeden Sonntag freihaben könnte. Als ob der Haushalt am Sonntag stillsteht. Und als ob es nicht schon großzügig genug von mir wäre, meinen Dienstboten jede zweite Woche einen halben Sonntag lang freizugeben. Unmöglich! Natürlich habe ich sie nach dieser unverschämten Frage sofort vor die Tür setzen lassen. Was denken sich solche Personen denn nur bei einem dermaßen frechen Betragen?«
Erfreulicherweise unterschied sich Florence deutlich von ihren flatterhaften, überspannten Freundinnen und deren überheblichen Müttern. Zwar zeigte sie viel Vergnügen an Mode und gesellschaftlichem Klatsch, doch sie liebte es zugleich auch zu lesen – und zwar nicht nur die billigen Romanzen, die ihre Freundinnen bevorzugten, sondern vor allem geschichtliche Abhandlungen, Reiseberichte und Klassiker. Und darüber hinaus konnte man sich mit ihr wunderbar über die verschiedensten Themen unterhalten, wobei sie in Gesprächen mit Patrick häufig einen neckend-freundschaftlichen Ton anschlug.
Wenn er ehrlich war, war Florence auch der Grund, warum Patrick sich noch immer in der Sommerresidenz der Sloanes aufhielt. Und war er noch ehrlicher, so verzauberte Gaylords Schwester ihn so sehr, weil sie auf verblüffende Weise einer anderen Frau glich, an die er sein Herz wohl für immer verloren hatte. Florence’ Offenheit und ihr ungekünstelter Tonfall, das weit gefächerte Interesse an den Dingen, die in der Welt jenseits der Ballsäle und Schneiderateliers lagen, selbst ihr Lächeln, all das erinnerte Patrick an Éanna. Nur dass Éanna in den zauberhaften Kleidern, die Florence trug, wohl noch hinreißender ausgesehen hätte.
Bereits am Ende der zweiten Woche hatte Patrick zum ersten Mal den Versuch unternommen, den Gastgebern seine Abreise anzukündigen. Aber die Sloanes hatten davon nichts wissen wollen, allen voran Gaylord und Florence, aber auch ihr Vater hatte darauf bestanden, dass er blieb. Und auf ähnliche Weise waren zwei spätere Versuche, sich zu verabschieden, gescheitert.
Eigentlich war Patrick ganz froh darüber. Es war einfach zu verlockend, den Sommer auf diesem herrlichen Anwesen zu verbringen, wo auf solch außergewöhnliche Weise für das Wohl der Gäste gesorgt wurde: Während die sechs Boote am Strand hauptsächlich dem Zeitvertreib der jüngeren Besucher dienten, verbrachten William Sloane und seine Geschäftsfreunde ihre Zeit häufig auf der schnittigen Hochseejacht Shadow, die im nächsten Fischerhafen vor Anker lag, von einer Crew von Seeleuten gewartet wurde und stets zum Auslaufen bereit war. Hinter dem Haupthaus der Sloanes befanden sich neben zwei Bungalows, die Gaylord spöttisch die »Flitterwochensuites« nannte, in einer Parkanlage zusätzlich zwei Tennisplätze, ein Kricket- und ein Bowlingfeld. Hier hielten sich vor allem die männlichen Sommergäste auf, während sich die Damen auf den gepflegten Rasenflächen im Federballspiel übten. Des Weiteren gehörten ein Tontaubenschießstand und ein großer, künstlich angelegter Teich in Form eines weitläufig geschwungenen S zum Anwesen der Familie Sloane, auf dem seltene Vögel und langhalsig-elegante Schwäne schwammen und wo man sich in Ruderbooten die Zeit vertreiben konnte.
Doch für Patrick gab es noch mehr Gründe, sich über seinen verlängerten Aufenthalt auf Long Island zu freuen: Zum einen sparte er so eine Menge Logis- und Kostgeld, zum anderen hatte er wunderbar Zeit, den neuen Stoß Bücher zu lesen und zu beurteilen, den Duyckinck ihm, hochzufrieden mit den ersten Buchbesprechungen, noch am Tag vor seiner Abreise mitgegeben hatte.
Patricks anfängliche
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