Éanna - Ein neuer Anfang
schreiben. Das ist doch bestimmt nur ein raffinierter Trick von irgendwelchen Landagenten, die einfältige Siedler in diese Einöde locken wollen. Und außerdem kann ich mir kaum vorstellen, dass ausgerechnet du mit deinen zarten Mädchenhändchen nach Gold graben würdest! Du hältst ja kaum ein Spiel auf dem Tennisplatz durch!«
»Aber wenn es wirklich stimmt, Gaylord, könnte man da jetzt im Handumdrehen ein Vermögen scheffeln!«
»Blödsinn! Mit Goldschürfen verdient man kein Vermögen. Reich wird man, wenn man diesen dreckigen armen Idioten, die da in der Erde wühlen, die Dinge für teures Geld verkauft, die sie für ihre Arbeit und zum Leben brauchen!«, erwiderte Gaylord und verzog geringschätzig den Mund. »Und sollte das mit dem Goldfund wirklich stimmen, wird mein Vater ganz schnell einige seiner Schiffe, die er unter Chartervertrag hat, mit all dem billigen Gelumpe für die Siedler nach San Francisco schicken und damit die einzig lohnende Goldader ausbeuten. Aber genug geredet! Patrick und ich haben uns gerade ein Rennen ganz nach meinem Geschmack geliefert und jetzt habe ich Durst. Wo steckt denn eigentlich der alte Schnarchsack Tim?« Lachend verschwand er im Haus, gefolgt von Jonathan und Patrick.
Timothy Preston und Jonathan Walsh, beide in etwa in Patricks Alter, waren Söhne aus ebenso reichem Haus wie Gaylord. Timothys Vater gehörte zu den Stahlbaronen der Ostküste, Mister Walsh herrschte über ein Eisenbahnimperium. Beide zählten zu Gaylords besten Freunden und keinen von ihnen konnte Patrick sonderlich leiden. Er war zwar bisher gut mit ihnen ausgekommen, doch ihre Gespräche waren stets oberflächlich geblieben und man war schnell zu den einzigen Themen abgeschweift, für die sich Tim und Jonathan ernsthaft begeistern konnten: die Leidenschaft für schnelle Pferde, das Kartenspiel, Wetten jeder Art und amouröse Abenteuer mit jungen Schauspielerinnen und Revuemädchen, die sich von ihrem Geld leicht beeindrucken und verführen ließen.
Die beiden anderen jungen Herren, ebenfalls Söhne reicher Eltern, die Gaylord ebenfalls in das Cottage eingeladen hatte, waren zwar von etwas angenehmerer Wesensart und weniger aufdringlich in ihrem übersteigert selbstbewussten Gehabe und ihrer peinlichen Aufschneiderei, aber letztlich interessierten auch sie sich nur für die kostspieligen Vergnügungen, die ihnen das Leben dank des elterlichen Vermögens bot. Mit einem Buch in der Hand hatte Patrick bislang noch keinen von ihnen gesehen.
In dieser Hinsicht waren auch die vier jungen Freundinnen, mit denen Florence sich auf Long Island umgab, eine Enttäuschung. Wann immer Patrick zufällig eine Unterhaltung zwischen ihnen mit anhörte, ging es dabei um Mode, Frisuren und gesellschaftliche Großereignisse. Wer in der letzten Saison die sensationellsten Bälle ausgerichtet hatte, wer von wem nicht eingeladen und somit in Ungnade gefallen war, wer sich von den Männern, die als gute Partie galten, auf den Bällen in wessen Tanzkarten hatte eintragen lassen und bei welchem Junggesellen es sich in der kommenden Saison lohnte, auf sein Werben einzugehen – all das waren Themen, die die jungen Frauen brennend interessierten. Sie alle standen kurz vor ihrem achtzehnten Lebensjahr und nichts schien ihnen dringlicher zu sein, als noch in diesem Jahr ein vermögendes Mitglied der New Yorker Oberschicht kennenzulernen und natürlich möglichst auch zu heiraten.
Die Mütter von Florence’ Freundinnen, die Harriet Sloane im Cottage Gesellschaft leisteten, hatten neben Modefragen und gesellschaftlichem Klatsch und Tratsch noch ein anderes Thema, über das sie sich zu Patricks Leidwesen stundenlang unterhalten konnten: Immer wieder ließen sie sich darüber aus, wie mühsam es doch sei, bei dem momentanen Mangel an akzeptablem Personal einem ihrem Stand entsprechenden Haushalt vorzustehen. Jede dieser Frauen konnte ein Lied über die Schlampigkeit, Dummheit und Faulheit ihrer Angestellten singen. Die wenigsten Dienstmädchen verdienten den Lohn, den sie erhielten, schienen nichts richtig zu machen und einzig an jungen Burschen, hübschen Kleidern und billigem Tand interessiert zu sein, für den sie am Monatsende ihren Lohn verprassten. Insbesondere irische Dienstmädchen wurden bei solchen Gesprächen häufig zur Zielscheibe von harter Kritik und Spott:
»All diese nichtsnutzigen irischen Bridgets, die einem die Agenturen aufschwatzen wollen!«, hörte Patrick beispielsweise einmal eine New Yorker Nachbarin der
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