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Éanna - Ein neuer Anfang

Éanna - Ein neuer Anfang

Titel: Éanna - Ein neuer Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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kommend, am Holz des Treppengeländers empor. Der Lärm der Flammen mischte sich mit dem Geschrei, den Hilferufen und wüsten Flüchen, den ohnmächtigen Gebeten und dem Weinen der Menschen, die in panischer Todesangst aus ihren Wohnungen zur Treppe stürzten und einander in den Korridoren und auf den engen Treppen vorwärtsdrängten oder erbarmungslos zur Seite stießen. Mit allen Mitteln versuchte man, möglichst schnell den Flammen zu entkommen und nach oben aufs Dach zu gelangen.
    Eigentlich sanftmütige Mütter mit schreienden Babys auf dem Arm und jammernden Kleinkindern an der Hand versuchten, sich ebenso rücksichtslos einen Weg durch die Menge zu bahnen wie Männer, die im Haus für ihre Brutalität gegenüber Frauen und Kindern bekannt waren. Jeder dachte in diesem Moment nur daran, sein eigenes Leben und vielleicht noch das seiner Angehörigen zu retten, wobei einige kleine Kinder und alte Menschen brutal an die Hauswand gedrängt wurden.
    »Los, kommt! Wir müssen hoch aufs Dach und uns dann über die Nachbardächer in Sicherheit bringen!«, keuchte Brendan, der die Situation schnell überschaut hatte. »Das ist unsere einzige Chance, dem Feuer zu entkommen!«
    »Gib mir deine Hand, Emily!« Éanna tastete mit ihrer freien linken Hand hinter sich nach ihrer Freundin, die, ihre Kleiderbündel vor die Brust gepresst, zitternd im Korridor stand. »Wir müssen zusammenbleiben!«
    Emily ergriff ihre Hand und Brendan zog die beiden Mädchen vorwärts. Gemeinsam erreichten sie den Treppenaufgang. Doch kaum hatten sie die ersten Stufen überwunden, als zwei Männer in ihrem Rücken auftauchten, die sich mit wuchtigen Schlägen und Stößen skrupellos einen Weg durch die Menge bahnten.
    Der erste, der hinter ihnen hochgestürzt kam, trennte Éanna von Emily. Unwillkürlich blieb Éanna stehen und drehte sich nach der Freundin um. In diesem Moment drängte sich der zweite Mann, breitschultrig wie ein Kohlenschlepper, zwischen ihr und Brendan durch. Dabei stieß er Brendan mit einem brutalen Fausthieb gegen die Wand des Treppenhauses, woraufhin dieser das Gleichgewicht verlor, und versetzte Éanna mit seinem linken Ellbogen einen kräftigen Stoß vor den Brustkorb, der sie gegen das morsche Geländer prallen ließ.
    Ihr war, als hätte sie ein Vorschlaghammer getroffen. Unter ihrem Aufprall barst das Treppengeländer wie dünnes Zunderholz, einige der Holzlatten stürzten in den feurigen Hausschacht. Éannas Arm mit dem Buchpaket wurde nach hinten gerissen, die Schnur entglitt ihren Fingern und die sechs kostbaren Bücher segelten, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, hinab in das höllische Flammenmeer.
    Éanna verlor das Gleichgewicht und kippte nach hinten. Erst im letzten Moment bekam sie einen der geborstenen Stützbalken des Geländers zu fassen und klammerte sich mit beiden Händen daran fest. Sie baumelte im Schacht über den nach ihr leckenden Flammen, spürte die feurige Hitze, die nach ihren nackten Beinen griff, und die Rauchwolke, die wie in einem Kamin nach oben zum Dachausstieg zog, und schrie in Todesangst.
    »Éanna!«
    Im Licht der Flammen konnte Éanna das entsetzte Gesicht von Brendan erkennen, der von dem brutalen Faustschlag der Länge nach auf die Stufen geschleudert worden war, sich nun aufrappelte und verzweifelt auf das Geländer zustürzte. Gemeinsam mit einem anderen Mann packte er sie mit festem Griff an den Armen und zog sie zurück auf die Treppe, wo Éanna in sich zusammensackte.
    Doch sie durften jetzt keine Zeit verlieren. Der ihnen so unvermutet zu Hilfe gekommene fremde Mann war, gleich nachdem Éanna wieder festen Boden unter den Füßen gespürt hatte, weiter die Treppe hinaufgestürmt, ohne sich noch einmal nach ihnen umzudrehen, und auch Brendan wusste, in welch gefährlicher Lage sie sich noch immer befanden. Er zog Éanna an der Hand nach oben, bahnte sich mit ihr einen Weg durch die Menge und schob sie an der Wand des Treppenhauses vor sich her. Unnachgiebig verteidigte er ihren sicheren Platz gegen jeden, der sich rechts an ihnen vorbeizudrängen versuchte.
    Éanna liefen die Tränen über das Gesicht, während sie vor Brendan hertaumelte. Sie stand immer noch unter Schock und hatte nur einen einzigen verzweifelten Gedanken: Patricks kostbare Bücher! Sie waren für immer verloren! Ihre eiserne Reserve und ihr einzig wertvoller Besitz lagen zu Asche verbrannt im Treppenhaus. Nur mit diesen Büchern hätten sie genug Geld gehabt, um nach dem Brand neu anzufangen und

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