Éanna - Ein neuer Anfang
verlässt, sosehr ich auch dagegen ankämpfe. Und wie könnte ich Euch da in die Augen sehen und um Eure Liebe oder gar Eure Hand werben?«
Florence wandte sich von ihm ab und schwieg lange, sodass Patrick schon fürchtete, sie mit seinen offenen Worten zu sehr gekränkt zu haben. Dann aber drehte sie sich um und sah ihm fest in die Augen. Ihre Lippen umspielte ein schwaches Lächeln.
»Es klingt verrückt, aber Ihr macht mich mit Eurem Geständnis traurig und dankbar zugleich, Patrick. Ich muss gestehen, dass ich mir von ganzem Herzen wünsche, Ihr hättet mir etwas anderes offenbart. Aber ich weiß nun, dass ich mich nicht in Euch getäuscht habe. Ihr seid ein Mann von Ehre, der aufrichtig und nach seinem Gewissen handelt, auch wenn es noch so schwer ist. Ich weiß nicht, was ich Euch wünschen soll.« Patrick ahnte, dass diese Worte Florence viel Überwindung kosten mussten, und er bewunderte sie in diesem Moment sehr für ihre Selbstlosigkeit. Wie viel einfacher wäre alles gewesen, wenn er ihre Gefühle hätte erwidern können!
Er nahm ihre Hand. »Verzeiht mir, dass ich Euch diesen Schmerz zugefügt habe. Ich hätte von Anfang an ehrlich zu Euch sein sollen.«
Sie lächelte traurig und er war erneut froh, dass sie ungestört hatten miteinander sprechen können. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr sie mit seiner Zuneigung gerechnet hatte. Hätte er ihr vor den Augen ihrer Mutter oder gar ihrer klatschsüchtigen Freundinnen die Wahrheit gesagt, wäre seine Zurückweisung eine schmachvolle und unverzeihliche Kränkung gewesen, die nicht nur für ihn, sondern durchaus auch für sie unangenehme Folgen gehabt hätte. Er beschloss, noch am nächsten Morgen abzureisen und Florence’ Familie vorerst über seine wahren Beweggründe im Ungewissen zu lassen.
»Es wird wohl das Beste sein, wenn ich so bald wie möglich abreise«, teilte er Florence seine Entscheidung mit. »Gegenüber Euren Eltern werde ich vorgeben, wichtige Geschäfte in New York erledigen zu müssen. Und ich werde immer an Eure Großherzigkeit denken, Florence. Ich wünsche mir sehr, dass Euch eines Tages ein Mann so glücklich macht, wie Ihr es verdient.«
Die Sloanes bedauerten seine Abreise aufrichtig, ließen sich jedoch von der Dringlichkeit seiner Geschäfte überzeugen, nachdem sie ihm das Versprechen abgenommen hatten, sie bald wieder zu besuchen. Florence gab sich unbekümmert und freundlich bei ihrem Abschied und dennoch war Patrick froh, als er endlich in der Kutsche saß und New York entgegenrollte. Er nahm sich vor, so bald wie möglich nach einer anderen Unterkunft als dem Shakespeare Hotel zu suchen, um spontane Besuche von Gaylord in Zukunft möglichst zu vermeiden.
Keine Stunde, nachdem er ermüdet von der langen Fahrt und der drückenden Hitze, die wie eine Glocke über New York lag, im Hotel eingetroffen war, klopfte es plötzlich an der Zimmertür. Zu seiner Überraschung war es Charles Templeton, der ihm einen Besuch abstatten wollte.
»Mister Templeton, mit Euch habe ich nun wirklich nicht gerechnet«, entfuhr es Patrick, »was macht Ihr denn hier?«
»Oh, ich hoffe, Ihr seht mir großmütig nach, dass ich mich nicht bei Euch angekündigt habe, Mister O’Brien«, entschuldigte sich der Buchhändler. »Eigentlich sind derartige Überfälle nicht meine Art. Und sollte ich gerade ungelegen kommen …«
»Nein, überhaupt nicht!« Patrick trat mit einer einladenden Handbewegung zurück. »Bitte kommt doch herein! Ich freue mich sehr, Euch wohlbehalten wieder in New York zu sehen.«
»Ich bin schon seit Mitte Juli wieder in der Stadt. Doch wenn ich ehrlich sein darf, wäre es mir trotz der fast unerträglichen Hitze der letzten Wochen lieber, ich hätte keinen Anlass gehabt, New York zu verlassen, Mister O’Brien. Auch wenn sich letztlich alles zum Guten gewendet hat.«
»Ich habe mit großem Bedauern auf dem Schild an Eurer Buchhandlung gelesen, dass Ihr gezwungen wart, recht überstürzt nach Chicago zu reisen.« Patrick führte seinen Besucher zu einem der beiden Sessel am Fenster.
Charles Templeton seufzte. »Ja, und zwar aufgrund einer sehr dringlichen Angelegenheit. Mein einziges Kind, meine Tochter Julia, die mit ihrem Mann in Chicago lebt, war schwer erkrankt. Es stand lange Zeit sehr ernst um sie, so ernst, dass ich kurzerhand mein Geschäft geschlossen habe, um bei ihr zu sein. Doch zum Glück hat sie sich schließlich von ihrer Krankheit erholt und mittlerweile geht es ihr schon wieder richtig gut.« Er
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