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Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]

Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]

Titel: Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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benommen, als sie es von einem jungen Herrn seines Standes erwartet hätte. Nicht nur, dass er sich erneut selbstverständlich und ohne jeglichen Standesdünkel mit ihr unterhalten hatte, als gäbe es zwischen ihnen keine unüberbrückbare gesellschaftliche Kluft. Nein, er hatte ihr sogar in beiläufigem Plauderton höchst persönliche Dinge anvertraut. Er hatte ihr erzählt, dass er darunter litt, eines Tages die Nachfolge seines Onkels Edmund Wexford antreten und dessen gut gehende Brauerei übernehmen zu sollen, und er vielmehr davon träumte, sein Leben der Schriftstellerei zu widmen.
    Ja, aufregend unberechenbar und offenherzig, das traf es sehr gut! Und zudem sah O’Brien auch noch blendend aus mit seinen fein geschnittenen und doch männlichen Gesichtszügen, seinem sanft gewellten schwarzen Haar und den ungewöhnlich dunkelblauen Augen, deren Blick einem durch und durch gehen konnte.
    Éanna wurde im nächsten Augenblick bewusst, was für Gedanken ihr soeben durch den Sinn gegangen waren.
    »Du bist schon eine Närrin«, murmelte sie vor sich hin, als sie den Park am Rutland Square hinter sich ließ und in die Dorset Street einbog. Obschon gar nicht weit von der Sackville Street entfernt, hob sich diese Straße doch schon deutlich von deren Glanz und Eleganz ab. Hier überwog der Anblick von zwar ansehnlichen, aber nicht übermäßig vornehmen Bürgerhäusern und Geschäften, für die man nicht unbedingt eine prall gefüllte Geldbörse brauchte. Doch selbst die Waren in diesen Läden waren für Éanna und ihresgleichen unerschwinglich.
    Wenig später stand sie vor dem Haus, in dem Patrick O’Brien ohne das Wissen seines Onkels eine Unterkunft angemietet hatte, um sich dort ungestört seiner geheimen Leidenschaft, dem Schreiben, zu widmen. Das Haus hatte helle Ziersteine im dunkelbraunen Mauerwerk, reichte fünf Stockwerke hoch und hatte große hohe Fenster, die jeweils rechts und links von schmalen Halbsäulen mit einem Kapitell eingefasst waren.
    Nie hätte Éanna sich getraut, von sich aus den Fuß in solch ein Haus zu setzen. Alles, was sie kannte, waren primitive reetgedeckte Bauernkaten aus Zweiggeflecht und Lehm, in denen es für die ganze Familie samt dem wenigen Vieh nur einen einzigen Raum mit einer offenen Feuerstelle gab und wo der Fußboden aus festgetretener Erde bestand. Schon die schlichte Pension in der Thomas Street war für sie der Inbegriff von Luxus gewesen. Aber neben einem solchen stattlichen Gebäude hätte sogar das Journey’s End ärmlich gewirkt.
    Drei Stufen führten zum Hauseingang hoch. Zum Glück stand die rotbraune Holztür, die mit reichem Schnitzwerk verziert war, weit offen. Éanna wusste nicht, ob sie sich getraut hätte, den schweren bronzenen Türklopfer zu betätigen.
    Mit pochendem Herzen wagte sie sich in den Hausflur, dessen Wände bis etwa auf Brusthöhe mit cremefarbenen Kacheln verkleidet waren. Von draußen drang ein helles Lachen an ihr Ohr. Einen Moment lang hielt sie inne. Dann packte sie die Furcht, ein Hausmeister oder eine Art Portier könnte im nächsten Moment erscheinen und sie zur Rede stellen. Deshalb raffte sie schnell ihr Kleid und ihren Umhang zusammen und eilte die breite Treppe hinauf.
    »Dritter Stock, erste Tür gleich rechts vom Treppenaufgang!«, hatte Patrick O’Brien ihr erklärt. »Auf dem Messingschild an der Tür ist mein Monogramm eingraviert. Großes P, großes O. Ist nicht zu verfehlen!«
    Augenblicke später stand Éanna vor seiner Tür. Ihr Herz jagte, schlug ihr bis in den Hals und das nicht allein wegen der Eile, mit der sie die vielen Stufen erklommen hatte.
    Sie schloss kurz die Augen und atmete zwei-, dreimal tief durch. Dann gab sie sich einen Ruck, hob die Hand und klopfte mit den Fingerknöcheln beherzt an die Tür.

Sechstes Kapitel
    Kaum war ihr Klopfen im Treppenflur verklungen, als auch schon die Tür aufging und Patrick O’Brien vor ihr stand. Fast im selben Augenblick schlug hinter ihm im Zimmer eine Uhr mit dunklem, wohltönendem Klang die volle Stunde.
    Mit einem belustigten Lächeln sah er sie an. »Wie schön! Nach dir kann ich demnächst meine Uhren stellen, Éanna!«, begrüßte er sie. Er hatte den linken Daumen in die kleine Seitentasche seiner hellblauen Seidenweste gehakt, die einen wunderschönen Kontrast zu seinem Anzug aus feinem dunkelblauem Cordstoff und der bauschigen rubinroten Krawatte bildete. Und seine Rechte zog nun eine goldene Uhr an einer ebenso goldenen Kette aus der rechten Westentasche und

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